Ein Mann macht Nägel mit Köpfen

GUSENBURG. Eine Dreiviertel Million Nägel hat Felix Waschbüsch bis heute geschmiedet. Zwei Mal in der Woche zeigt er in Gusenburgs Schmiede, wie Nägel nach der alten Handwerkskunst hergestellt werden.

Ein Knopfdruck, und mit Hilfe des Gebläses dauert es nur wenige Minuten, bis die Flammen aus der Feuerstelle lodern. Das war nicht immer so. Als Felix Waschbüsch in den 30er- Jahren in der Gusenburger Dorfschmiede das Nagelschmieden erlernte, war es sein Hund "Mobbi", der in einem Rad - ähnlich einem Röhnrad - gelaufen ist. Dadurch setzte der Hund den Blasebalg in Bewegung. Der komprimierte Luft, die das Feuer in Schach hielt. "Wenn das Feuer fauchte, hat Mobbi sich hingelegt und auf den nächsten Einsatz gewartet", erinnert sich der 82-Jährige an vergangene Tage. Zu dem Handwerk kam Felix Waschbüsch wie die Jungfrau zum Kind. "Jeder der sieben Jungen musste etwas lernen", erinnert sich der agile Senior. Die Armut im Dorf war groß und die Berufsauswahl klein. Mit 14 Jahren ging er von morgens sechs bis abends acht Uhr in die Schmiede. Und er hatte Glück: Pünktlich zu Beginn seiner Lehrzeit wurde das Nagelschmieden, das bis dato nur Heimarbeit war, in die Handwerkerrolle eingetragen. Vier Jahre hat der Nagelschmied in seinem Beruf gearbeitet und bis heute etwa 750 000 Nägel geschmiedet. "Manchmal habe ich einen halben Zentner Eisen verkloppt, um abliefern zu können", erzählt Waschbüsch. Die Händler seien sehr pingelig gewesen, krumme Nägel wurden nicht angekauft. Den beißenden Geruch der Ruhrkohle hat Waschbüsch nicht vertragen, "ich war immer blass wie ein Leinentuch". Zwangsweise musste er den Beruf sprichwörtlich an den Nagel hängen.1500 Grad in der Esse

Vom Eisen kam Waschbüsch zum Holz: Als 18-Jähriger ließ er sich zum Zimmermann ausbilden. Bis zu seiner Rente war er als selbstständiger Meister tätig. Den Anstoß, die alte Leidenschaft wieder aufflammen zu lassen, gab das erste Fest auf der restaurierten Grimburg. Dort führte er das Nagelschmieden vor. Auch nach mehr als einem halben Jahrhundert Berufspause stellte Waschbüsch fest: "Gelernt ist gelernt." Heute demonstriert er regelmäßig das alte Handwerk in der Gusenburger Nagelschmiede, die er eingerichtet hat. Mindestens zwei Mal in der Woche machen die Besucher der "Gusenburger Schmugglertour" Station in der Schmiede. Beim Betreten des Raums steigt den Besuchern ein Geruch aus Eisen, Ruß und Kohle in die Nase. In der Esse, der 1500 Grad heißen Feuerstelle, liegt ein etwa 40 Zentimeter langer Eisendraht. Felix Waschbüsch holt das Eisen aus dem Feuer und beginnt mit dem Bearbeiten der orangeroten glühenden Spitze auf dem Amboss. Kräftige Hammerschläge, mal von oben, mal seitlich, formen das heiße Metall zu einem Nagel. Schnell muss er arbeiten, solange das Material die richtige Temperatur hat. Mit einer Zange holt er den Nagel aus dem Schraubstock, begutachtet ihn und taucht ihn in den Zink-Eimer mit Wasser. Zweispitzer, Flügelnägel und Jagdnägel stellt er her. Schutzkleidung trägt er keine. Wenn ein Funke die Haut trifft, "brennt er zurück": Erst wird die verbrannte Stelle kurz mit Speichel gekühlt. Dann holt er das sehr warme Eisen aus dem Feuer und hält es so nah an die Haut bis es schmerzt. "Das gibt keine Blase", garantiert der sympathische alte Mann. Doch Vorsicht: Die Rosskur ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Auch hier gilt: "gelernt ist gelernt".

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