Eine Chance für Issa

GUSTERATH. Issa litt an Noma, einer Krankheit, die das Gesicht zerstört und zum Tode führen kann. Der Verein "Noma Trier e.V." und Familie Wittschier aus Gusterath machten eine Operation in Deutschland möglich. Issa hat wieder ein Gesicht und wird ein menschliches Leben in Niger führen können.

2. September 2005: Vor Issa Soumana aus Niger lagen acht Wochen, die sein Leben verändern würden. Georg, Judith und Rachel Wittschier aus Gusterath warteten am Flughafen auf den kranken Jungen, der für zwei Monate ein Familienmitglied auf Zeit sein würde. Zehn Minuten, ein kurzes Gespräch mit seiner Flugbegleiterin, und da stand er nun, der kleine Junge aus Afrika, in Schuhen von Größe 40, mit einer Jacke, die viel zu groß war, und von der heimtückischen Noma-Erkrankung sichtlich gezeichnet. Er war ohne jegliches Gepäck in ein fremdes Land gekommen, dessen Sprache er nicht verstand und nicht sprechen konnte. Er kam, um gesund zu werden. "Ich habe ihm ein Kuscheltier geschenkt", erzählt Rachel Wittschier. Sie ist etwa zwei Jahre älter als Issa, und für ihre Eltern wäre es undenkbar, ihr Kind alleine zu einer Operation in ein hunderte von Kilometern entferntes Land zu schicken. Issa ist ein "schlaues Kerlchen"

"Wir glauben Issa ist etwa sieben Jahre alt", sagt Judith Wittschier. "In Niger werden die Geburten nicht wie bei uns registriert. In ihren Pässen steht immer der 1. Januar des jeweiligen Geburtsjahres." Während der Fahrt mit dem Auto habe er keine Miene verzogen. "Doch als wir zu Hause waren, ist er aufgetaut", erzählt Jonas (12). Mit Händen und Füßen verständigt sich die Familie mit dem afrikanischen Gast, und Issa hat ein paar Worte Deutsch gelernt. "Er ist ein schlaues Kerlchen", sagt Judith Wittschier. Für die Wittschiers ist es bereits das dritte Mal, dass sie ein an Noma erkranktes Kind aufnehmen. Vor neun Jahren sahen Bernward und Georg Wittschier einen Fernsehbeitrag über diese Erkrankung und die Hilfsaktion Noma e.V. Regensburg, die von Ute Winkler-Stumpf ins Leben gerufen wurde. Sie waren berührt und handelten. Der Arzt Georg Wittschier und sein Bruder, ein Rechtsanwalt, gründeten den Verein "Noma Trier e.V." Aus einem einmaligen Vorhaben, einem Kind zu helfen und es in Deutschland operieren zu lassen, wurde eine "Daueraktion". Mitte September wurde Issa von dem plastischen Chirurgen Dr. Andre Borsche im Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach operiert. Issa wurde vorher schon zweimal im Niger operiert. Doch ohne Erfolg. Die Krankheit, die nur in Gebieten mit extremer Armut und bei unternährten Kindern nach Infektionskrankheiten auftritt, hatte einen Gewebsdefekt im Bereich der Mundhöhle unterhalb Issas Lippe verursacht. Die Operation in Deutschland war erfolgreich. Zu seinen Eltern und seinem sieben Geschwistern hatte er während der gesamten Zeit keinen Kontakt. Auch habe er nie über Zuhause gesprochen. "Nur einmal habe ich gesehen, wie er vor dem Spiegel in die Hände geklatscht, gestrahlt und getanzt hat", sagt Jonas. Der Zwölfjährige kann nicht verstehen, dass ein guter Spielkamerad in einem Land lebt, in dem lediglich ein Antibiotikum notwendig wäre und nicht erworben werden kann, das die Krankheit in den Anfängen stoppen würde. Am Freitag kehrt Issa in seine Heimat zurück. Issa hat wieder ein Gesicht, drei Kilo zugenommen und eine Zukunft. In seinem Heimatland wird er nicht mehr - wie bisher - ausgegrenzt werden.

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