Einmal rund - macht 9000 Kilometer

Einmal rund um Deutschland - dieses Ziel hat sich der 46-jährige Klaus Siemon aus Thüringen gesteckt. Allerdings nicht bequem in der viertürigen Karosse. Der Aussteiger ist ausschließlich mit dem Rad unterwegs. Bis zum Ende seiner Tour wird er rund 9000 Kilometer zurückgelegt haben.

Saarburg. "In schätzungsweise einer Stunde bin ich in Saarburg. Haben Sie Interesse an einem Interview mit mir?" Die Kurzbeschreibung seiner "Geschichte", mit der der radelnde Deutschland-Erkunder per Telefon in den Redaktionsalltag "hineinplatzt", macht neugierig. Auf einer Bank an der Schiffsanlegestelle in Saarburg sitzt Klaus Siemon mit ausgebreiteten Armen und übereinandergeschlagen Beinen. Vor ihm ein Treckingrad mit extra starkem Rahmen, bepackt mit 40 Kilogramm, verteilt auf sieben Fahrradtaschen - das Velo, sein engster Vertrauter seit nunmehr zehn Wochen. Am 17. Mai hat sich Siemon vom Bayerischen Wald aus mit seiner Spezialanfertigung eines Treckingrades aufgemacht. Die Idee, Deutschland einmal komplett mit dem Fahrrad zu umrunden, entstand ausgerechnet im Ausland. "2004 habe ich eine solche Tour in Irland gemacht und war begeistert von den ausschließlich positiven Erfahrungen, die ich während dieser Zeit gesammelt habe", erzählt der 46-jährige gebürtige Thüringer. "Ich wollte herausbekommen, ob die Menschen in Deutschland genauso freundlich und hilfsbereit sind und ein solches Projekt bei uns auch funktioniert."Sein gesamtes Hab und Gut habe der bis dahin als Elektriker und Hausmeister tätige Mann zuvor verkauft, sich von einem festen Wohnsitz in Berlin verabschiedet. Mit maximal sieben Euro am Tag will er seitdem klarkommen. "Das ist das Limit, das ich mir für diese Tour gesetzt habe. Gelegentlich ist es sehr schwierig, das einzuhalten." Zu diesem Budget zwinge ihn sein derzeitiger finanzieller Hintergrund. Darüber hinaus ist er aber auch überzeugt: "Mit viel Geld kannst du keine Menschen kennenlernen. Reich wird man aber, indem man neugierig ist auf Menschen." Und das sei schließlich eine wichtige Triebfeder für seine Aktion. Mit dem Fahrrad verbindet der Vater eines 20-jährigen Sohnes "ein Stück Lebensphilosophie", wie er sagt. Seit 38 Jahren sei dies für ihn das Fortbewegungsmittel Nummer eins. "Fahren und erfahren, das ist Reisen im klassischen Sinne", sagt Klaus Siemon.Neun bis zehn Stunden tägliches Strampeln

Zwischen 70 und 80 Kilometern, verteilt über neun bis zehn Stunden, strample er täglich während seiner aktuellen Tour. Bis zur polnischen und dänischen Grenze, dann an die Ems, den Rhein, die Mosel und jetzt die Saar habe ihn seine Muskelkraft gebracht. Etwa 4000 Kilometer habe er bisher "heruntergerissen" - knappe 5000 folgten noch bis Ende September.Auf die Frage, was ihm durch den Kopf schieße bei all "der Strampelei", antwortet der Aussteiger: "Die Gefühle reichen von totaler Euphorie bis zu tiefster Verzweiflung und Zukunfts-Angst." Ausschließlich positive Erfahrungen habe er bis jetzt gesammelt. Die Menschen begegneten ihm freundlich und ohne Vorurteile - im Gegenteil: "Ich spüre bei vielen so eine Mischung aus Neid und Bewunderung, genährt aus der tiefen Sehnsucht, ebenfalls mal alles hinter sich zu lassen." Bemerkenswerte Begegnungen habe er an vielen Orten gehabt. Allein deshalb wolle er auf diese Erfahrung nicht verzichten. Einen Schlafplatz und etwas zu essen habe sich bis jetzt immer organisieren lassen. Auf Campingplätzen, unter dem Vordach einer Kneipe, auf einem Boot, in einer Weinkelterei und auch privat habe er übernachtet. "Wenn man offen, freundlich und ehrlich auf die Menschen zugeht, läuft das."Sehnsucht nach grünem Salat

Auch mit der Ernährung komme er einigermaßen parat: "Ich frage in Geschäften nach aussortiertem Obst oder anderen Dingen. In den meisten Läden sind sie sehr entgegenkommend. Ein paar Mal bin ich auch schon zu Grillfesten eingeladen worden." Meist allerdings laufe sein Tagesgericht auf die Kombination von Bockwurst und Bananen hinaus. "Das kann ich so langsam nicht mehr sehen", sagt Siemon. "Ich sehne mich nach grünem Salat." Auf die Frage, was am Ende dieser Reise vermutlich den intensivsten Eindruck hinterlassen werde, sagt der Radler: "Die Menschen, die ich kennen gelernt habe und die bleiben werden. Das ist das Stärkste." Klaus Siemons Homepage: www.deutschland-erfahren2007.de

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