Reportage Immer der Spür-Nase nach: Mantrailing mit zwei Beagles

Saarburg/Luxemburg · Beagles werden oft als verfressen und stur beschrieben. Das können sie auch sein. Aber man kann diese Charaktereigenschaften nutzen – etwa um Gegenstände, Tiere oder Menschen zu suchen. Unser Autor hat zwei und trainiert sie als Mantrailer.

 Die Beagle-Hündinnen Bonnie (links) und Sally lieben knifflige Aufgaben, wie sie beim Mantrailen zu lösen sind.

Die Beagle-Hündinnen Bonnie (links) und Sally lieben knifflige Aufgaben, wie sie beim Mantrailen zu lösen sind.

Foto: Alexander Schumitz

Ein Beagle ist weg. Er hat einen kurzen Moment der Unachtsamkeit ausgenutzt und ist aus dem Hof über eine kleine Mauer gesprungen. Auf die „Zurück“-Kommandos antwortet Rookie beaglelike: „Fuck you! Ich wittere da was, was besser als alle Leckerli ist, die ich von dir bekomme.“

Das ist für die meisten Hundebesitzer der Alptraum. Der geliebte Vierbeiner macht sich auf und davon, zeigt Herrchen oder Frauchen einfach mal den Mittelfinger. Aber was macht man in so einem Moment? Das Jagdspiel – zu dem der Hund quasi eingeladen hat – annehmen? Oder einfach stoisch am Ort Wurzeln schlagen, einfach warten, bis der Hund zurückkommt? „Auch wenn es schwerfällt. Ich rate erstmal zu letzterem“, sagt Sarah Felberbauer. Die 30-Jährige arbeitet in Luxemburg und Österreich als Hundetrainerin und hat sich im Bereich „Mantrailing“ weiterqualifiziert, hat aber auch schon Teams – sogenannte Pettrailer (ein Kofferwort aus „pet“ – Haustier – und „trail“ – suchen) – unterstützt, die auch Hunde suchen. „Oft können Hunde in solchen Momenten zumindest wertvolle Hinweise geben, wo es sich lohnt, eine Suche anzusetzen“, sagt sie.

Hunde als Spürnasen Warum sind Hunde so gut, wenn sie eine Fährte aufnehmen? Sie haben dazu die perfekte Nase. Parallel zum Einatmen, können die Vierbeiner ausatmen. Vereinfacht kann man den Vorgang so beschreiben: Im Riechkolben (Bulbus olfactorius) entsteht „für jeden einzelnen Geruchsstoff ein spezifisches räumliches und zeitliches Muster von Nervensignalen“. Vermutet wird, „dass neben der räumlichen Verteilung auch der zeitliche Ablauf der Nervenimpulse einen wesentlichen Teil der Geruchsinformation bildet“. So beschreiben es die beiden Autoren Diana Peters und Patrick Atamaniuk in ihrem Buch „Mantrailing“.

Bonnie im Arbeitsmodus: „Bitte nicht stören!“ Foto: Sarah Felberbauer

Bonnie im Arbeitsmodus: „Bitte nicht stören!“ Foto: Sarah Felberbauer

Foto: Alexander Schumitz/Sarah Felberbauer
Immer der Spür-Nase nach
13 Bilder

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Foto: Alexander Schumitz

Um Gerüchen nachzugehen, müssen Hunde drei Aufgaben lösen: „Was?“ „Wo?“ und „Wie viel?“ Übersetzt heißt das, dass das Tier einen bestimmten Geruch aus einer Vielzahl von Gerüchen einer Geruchsprobe zuordnen kann. Es kann erkennen, aus welcher Richtung der Geruch kommt. Und: Aufgrund der geruchlichen Intensität kann der Hund die Richtung, der er folgen muss, ausmachen, er nimmt die Spur auf und folgt ihr.

Einzigartiges Geruchserlebnis Jeder Mensch hat einen individuellen Geruch. Dieser ist etwa mit einem Fingerabdruck oder einer DNA-Sequenz vergleichbar. Wir verbreiten diesen individuellen Geruch kontinuierlich. Wir schwitzen. Wir atmen. Dadurch verteilen sich unsere Geruchsmoleküle in der Luft, oder sie lagern sich auf dem Boden und auf Objekten – etwa einem Autogriff oder einem Stein – in der Umgebung ab. Stimmungsschwankungen oder Stress beeinflussen das Geruchsbild kaum.

Damit ein Hund also die Fährte aufnehmen kann, braucht es einen Geruchsträger für die aufzunehmende Spur. Das können Halstücher, Socken, aber auch Taschentücher oder Kuscheldecken, ein Autoschlüssel oder der Innenraum eines Autos sein. Sarah Felberbauer rät deshalb: „Man kann Geruchsproben einfrieren, zum Beispiel Speichel vom Hund mit einem Wattestäbchen aufnehmen und dann ab damit in ein Glas und in die Tiefkühltruhe.“ Gut sei es dann noch, wenn im Fall der Fälle, derjenige, der die Geruchsprobe genommen hat, dabei ist, wenn die Nachsuche startet. „So kann der getrailte Hund gleich ausschließen, welchen Geruch er nicht weiter zu verfolgen braucht und man kann beim Ansetzen sicher sein, dass er der richtigen Spur nachgeht“, sagt die Hundetrainerin.

Training Hund und Hundeführer bilden beim Man- beziehungsweise Pettrailing ein Team. Und wie in jedem guten Team braucht es viel Training, um erfolgreich zu sein. Denn wie der Weinsommelier muss auch der Hund lernen, Gerüche zu lesen, sie zu differenzieren, und sie zu interpretieren. Und der Mantrailer muss ebenfalls lernen, seinen Hund zu lesen. „Folgt er noch der Spur?“ „Checkt er Alternativen?“ Oder: „Verfolgt er eigene Interessen?“ Denn eines ist auch sicher, so richtig verstehen wir Menschen nicht, was der Hund macht, wenn er einer Spur folgt. Schließlich sehen, riechen oder spüren wir die Spur nicht.

Und achten muss man auf einiges beim Mantrailen. So muss beispielsweise das Trailgeschirr gut sitzen, die Leinenführung entpuppt sich schnell als ewige Baustelle; nicht zu viel, aber erst recht nicht zu wenig Spannung. Das gründliche Ausarbeiten von Kreuzungspunkten und Freiflächen gehört ebenfalls dazu. Hinzu kommt, dass der Hundeführer die Signale des Hundes erkennen muss, etwa wenn der anzeigt, wo die Spur weiterführt. Er muss ihn aber auch abbremsen, wenn es gefährlich wird; beispielsweise wenn man eine Straße kreuzt oder sich im Wald von hinten Radfahrer nähern.

 Als Belohnung für die Arbeit gibt es etwas Leckeres. Foto: Alexander Schumitz

Als Belohnung für die Arbeit gibt es etwas Leckeres. Foto: Alexander Schumitz

Foto: Alexander Schumitz/Sarah Felberbauer

Die Hunde Fast jeder Hund eignet sich fürs Mantrailen. In unseren Gruppen sind wir mit Galgos, Rhodesian Ridgebacks, Border Collies, italienischen Trüffelhunden, Huskys oder ehemaligen Straßenhunden unterwegs. Schon an dieser bunten Mischung sieht man, dass die Rasse eines Hundes nicht ausschlaggebend dafür ist, ob er Erfolg beim Mantrailen hat oder nicht. Wichtig ist, dass er sich mit Freude und motiviert an die Arbeit macht.

Wir – also meine Frau und ich – trailen mit zwei Beagle-Hündinnen. Bonnie ist die ältere und stammt von einem Züchter. Sie ist knapp sechs Jahre alt und liebt es, Rätsel zu lösen. Die zweite Hündin, Sally, ist jetzt viereinhalb Jahre alt und kam über eine Tierschutzorganisation zu uns. Seit rund zwei Jahren lebt sie jetzt mit uns zusammen, vorher hat sie nur im Zwinger eines Versuchslabors gelebt. Schon einen Monat nachdem sie bei uns einzog, haben wir sie das erste Mal zum Training mitgenommen. Und auch sie liebt es, Geruchsspuren nachzugehen.

Obwohl unsere beiden Hunde die gleiche Rasse sind, haben sie komplett unterschiedliche Suchansätze. Bonnie liebt Herausforderungen, ist der Trail zu einfach, macht sie gerne mal „ihr eigenes Ding“ – nimmt etwa ein kurzes Bad in einem Brunnen oder schaut sich Hundespuren intensiver an als nötig. Ist die Aufgabe aus ihrer Sicht „interessant“, dockt sie an der Spur an und kürzt – falls möglich – gerne auch mal den Trail ab und wählt einen Weg, der kürzer sein kann und schneller zum Ziel führt als der, den die versteckte Person tatsächlich gelaufen ist. Sogenannte „Loops“ – das sind Extraspuren, die gelegt wurden und dort enden, wo sie gestartet sind –, ignoriert sie. Gibt es eine mögliche Abkürzung, weil der Wind Geruchspartikel aus einem parallel verlaufenden Weg herübergeweht hat, läuft sie diesen Pfad, ohne dass die versteckte Person ihn je betreten hat.

Sally hingegen kommuniziert klarer, lässt sich durch nichts ablenken. Hunde, die auf einem Trail entgegenkommen, werden ignoriert. Arbeit geht beim Trailen immer vor. Sie arbeitet sehr gewissenhaft, bleibt im Zweifel lieber auf der Spur, als eine Abkürzung zu nehmen. Das Einzige, was ihr nicht gefällt, wenn es zum Suchhunde-Training geht: Dass Bonnie vor ihr dran ist. Da wird dann schon mal ausgiebig gebellt.

Warum Mantrailen? Beagles sind Jagdhunde, die oft in der Meute unterwegs sind. Weil sie spurlaut sind, werden sie oft für die Stöberjagd benutzt. Aber auch bei der Suche von verletztem Wild werden sie eingesetzt – da darf eine Blutspur auch mal bis zu 40 Stunden alt sein. Wer also nicht auf die Jagd geht, muss sich Alternativen ausdenken, um seinen Beagle adäquat zu beschäftigen. Und da Bonnie einen ausgeprägten Jagdtrieb hat, lag es für uns nahe, mit der „Menschenjagd“ – also der Suche nach versteckten Menschen – ihren Jagdtrieb zu beschäftigen.

Hinzu kommt, dass man hier seine Zeit dafür nutzt, die Beziehung zu seinem Hund zu verbessern. Mit jeder erfolgreich gelösten Aufgabe gewinnt der Hund an Selbstvertrauen. Er lernt, dass es Dinge gibt, die er besser kann als Herrchen oder Frauchen. Schüchterne oder verängstigte Hunde lernen, dass sie gemeinsam schwierige Herausforderungen meistern können. Als sich eine zu suchende Person einmal im Gebüsch versteckte, traute sich Ex-Labori Sally erst den Weg zu verlassen, als ihr signalisiert wurde, dass sie das jetzt darf, ja sogar muss. Heute gibt es kaum noch Dinge, die sie sich nicht traut. Sie läuft etwa Feuerwehrleitern rauf und runter oder kreuzt Bäche.

Als Belohnung für die Arbeit gibt es etwas Leckeres. Foto: Sarah Felberbauer

Als Belohnung für die Arbeit gibt es etwas Leckeres. Foto: Sarah Felberbauer

Foto: Alexander Schumitz/Sarah Felberbauer

Ende einer Urlaubsreise Sally wurde von einer französischen Tierschutzorganisation befreit. Viele, die dort ihre Hunde adoptiert haben, sind über eine Gruppe in einem sozialen Netzwerk in losen Kontakt miteinander – so auch wir. Dort berichten wir oft über das Mantrailing-Training mit Sally. Als wir im Sommer auf der Rückreise aus unserem Urlaub waren, wurden wir gefragt, ob wir bei der Suche nach einem entlaufenen Ex-Labor-Beagle helfen könnten. Unsere Zusage kam schnell – ohne dass wir uns überlegt hatten, was so ein „Sucheinsatz“ bedeutet. Auf der Fahrt zum „Einsatzort“ versuchten wir noch mit Experten zu klären, worauf bei der Suche nach einem entlaufenen Hund zu achten ist.

Wir machen Mantrailing als Hobby – haben mit unseren Hunden auch keine Einsatzprüfungen abgelegt. Der Beagle, den es zu suchen galt, war – wie sich erst vor Ort herausstellte – schon etliche Tage vor dem Hilferuf weggelaufen. Es war auch nicht klar, wie und wo er ausgebüxt war. Die Halter wussten auch nicht, wohin und wie weit er möglicherweise gelaufen war. Insgesamt also denkbar schlechte Voraussetzungen für eine Nachsuche. Entsprechend ernüchternd war dann auch unsere Suche.

Ein zweiter Hilferuf Mitte August erreichte uns ein zweiter Hilferuf aus dem Netzwerk, dieses Mal von der belgisch-luxemburgischen Grenze. Rookie hatte einen unachtsamen Moment ausgenutzt, war über eine Mauer gesprungen und über eine Straße aus dem Dorf gerannt. Alles Rufen half nichts. Die Beagle-Hündin wollte die „Welt“ auf eigene Faust erkunden. Einen Tag später wurden wir gefragt, ob wir vielleicht helfen könnten, Rookie zu suchen. Trotz unseres Misserfolgs einige Wochen vorher, planten wir den restlichen Tag spontan um und machten uns mit unseren beiden Hündinnen auf den Weg; auch weil eine luxemburgische Tier-Suchstaffel urlaubsbedingt nicht einsatzfähig war. Unterwegs besprachen wir uns mit Sarah Felberbauer, unserer Mantrailing-Trainerin.

„Entscheidend bei Tiersuchen ist, dass die Spur zur Homebase erhalten bleibt“, sagt sie. „Das heißt, ihr dürft alte Spuren nicht mit neuen Spuren überlagern, die weg vom Ziel – also dem üblichen Aufenthaltsort des Hundes – führen.“ Denn Hunde könnten sich auch in unbekanntem Terrain anhand von Spuren und Gerüchen orientieren und das auch über große Distanzen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf machten wir uns am Spätnachmittag auf die Suche. Bonnie übernahm den ersten Part – lief einige Hundert Meter in die vermutete Richtung, machte aber hinter einem steilen Abhang eine klare Negativanzeige und wollte der Spur durch das steile Dickicht nicht folgen. Wir haben dann Sally einige Meter unterhalb der Stelle, an der wir Bonnie rausgenommen hatten, neu angesetzt. Sie bestätigte Bonnies Vorgaben. Zugleich war aber auch klar, durch dieses Gebüsch, diesen Abhang hinunter kann man nicht trailen.

Im nächsten Schritt haben wir unterhalb des Abhangs auf einem Forstweg die Suche nach Rookie neu aufgenommen. Wir wollten checken, ob sie diesen Bereich über den Weg verlassen hat oder ob sie sich in diesem Terrain möglicherweise noch aufhielt. Mehrere Negativanzeigen machten uns schließlich deutlich, dass vieles dafür sprach, dass Rookie noch im Dickicht am Waldrand war. Wir haben die Suche dann abgebrochen, weil unsere Hunde dann auch müde waren. Aber Rookies Hundeeltern haben noch mal eine Spur gelegt, die aus dem Dickicht heraus nach Hause führte.

Einen Tag später stand Rookie vor dem Hoftor ihrer Hundeeltern und war sichtlich froh, dass ihr Hundeabenteuer ein glückliches Ende gefunden hat. Das waren auch ihre Besitzer und wir natürlich auch.

Und jetzt? Unsere beiden Beagle-Hündinnen sind immer noch motiviert, wenn es darum geht, versteckte Menschen zu finden. Und wir als Hundehalter überlegen, neben dem Mantrailing auch das Pettrailing zu trainieren. Für die Hunde ist es nochmal eine andere Herausforderung, Tierspuren aufzunehmen und sich zu motivieren, obwohl ein Erfolg unsicher ist – wobei sie die Futterbelohnung immer erhalten, unabhängig vom Erfolg. Und für uns? Für Christiane und mich ist klar: Wir werden einen Pettrailing-Kurs besuchen. Es ist einfach die Abwechslung der Aufgaben, die man gemeinsam mit seinen Hunden im Team lösen muss, die mich an diesem „Hundesport“ fasziniert.

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