Erst die Vokabeln, dann das Leibgericht

Hermeskeil · Im Sprachkurs haben sie drei Monate lang fünf Stunden am Tag Deutsch gelernt. Nebenbei gab es für die 17 Teilnehmer des Projekts der Volkshochschule Hermeskeil und der Bundesagentur für Arbeit auch wichtige Tipps für den Alltag - von Verkehrsregeln bis Mülltrennung. Zum Abschluss haben die Flüchtlinge in der Schulküche ihre Lieblingsspeisen gekocht.

 In der Küche der Integrierten Gesamtschule Hermeskeil kochen 17 Flüchtlinge gemeinsam mit ihren Deutsch-Dozenten Gerichte aus ihrer syrischen Heimat. Die Aktion ist der Abschluss eines dreimonatigen Sprachintensivkurses, der von der Agentur für Arbeit finanziert wurde. TV-Fotos (2): Christa Weber

In der Küche der Integrierten Gesamtschule Hermeskeil kochen 17 Flüchtlinge gemeinsam mit ihren Deutsch-Dozenten Gerichte aus ihrer syrischen Heimat. Die Aktion ist der Abschluss eines dreimonatigen Sprachintensivkurses, der von der Agentur für Arbeit finanziert wurde. TV-Fotos (2): Christa Weber

Foto: (h_hochw )

Hermeskeil. Mit beiden Händen fasst Swasan Hamdo die Griffe des Topfes und hebt ihn Stück für Stück an. Darunter kommt eine Art Kuchen zum Vorschein, der allerdings aus Reis, Auberginen und Hähnchenfleisch besteht. Swasans Kollegen klatschen begeistert Beifall, als sie das gelungene Ergebnis ihres gemeinsamen Koch-Vormittags sehen.
Die junge Syrerin und ihre 16 Mitstreiter sind Teilnehmer eines Deutschkurses, der seit Dezember von der Außenstelle der Kreisvolkshochschule (VHS) in Hermeskeil organisiert wird. Der Kurs ist ein besonderes Projekt, finanziert von der Bundesagentur für Arbeit. 250 Stunden wurden insgesamt absolviert, bis zu fünf Stunden am Tag wurden die aus Krisengebieten geflüchteten Menschen von den VHS-Dozenten Diane Perrins und Ottmar Geib unterrichtet.
Zum Abschluss des Intensivkurses haben die beiden sich heute mit ihren Schützlingen in der Schulküche der Integrierten Gesamtschule in Hermeskeil versammelt, um gemeinsam mit ihnen zu kochen. Im Unterricht hatten die Teilnehmer die Rezepte ihrer Lieblingsgerichte aufgeschrieben - und daraus ein kleines Kochbuch gebastelt. Swasan hat "Maklube" beigesteuert, ein typisch arabisches Reisgericht, das sie nun unter dem großen Topf hervorgezaubert hat. Die Schreibweise mancher Zutaten wie "Hehnchen" und "Selz" entspricht noch nicht hundertprozentig den korrekten Regeln.
"Der Schwerpunkt in diesem Kurs lag aber auch zunächst auf dem gesprochenen Wort", erklärt Agnes Weiß, Leiterin der Hermeskeiler VHS-Außenstelle. Es gehe um eine "sprachliche Erstorientierung für Flüchtlinge, die noch nicht anerkannt sind, aber eine gute Bleibeperspektive haben", erläutert sie. Ihnen habe man nicht nur die deutsche Sprache näherbringen, sondern auch Erfahrungen und Tipps an die Hand geben wollen, "damit sie sich im Alltag schnell und selbstständig zurechtfinden".
"Sie haben gelernt, wie sie sich vorstellen, aber auch wichtige Vokabeln zum Einkaufen oder Kochen", nennt die VHS-Leiterin weitere Beispiele. Auch die kulturellen Unterschiede und Verhaltensweisen habe man den Kursteilnehmern vermittelt, etwa bei Besuchen im Schwimmbad und im Hermeskeiler St. Josef-Krankenhaus. Mit Hilfe der Verkehrspolizei Hermeskeil habe man auf das richtige Verhalten im Straßenverkehr aufmerksam gemacht, berichtet Weiß. "Wir haben auch das System der Mülltrennung erklärt. Warum das Bonbonpapier in den gelben Sack gehört." Dabei seien Hinweise des Entsorgungs-Zweckverbands A.R.T. in arabischer Sprache hilfreich gewesen.
Wichtige Grundlagen vermittelt

 Maklube, ein arabisches Reisgericht, kommt unter den Töpfen zum Vorschein, die Swasan (links) und ihr Mann Kamal vorsichtig hochheben.

Maklube, ein arabisches Reisgericht, kommt unter den Töpfen zum Vorschein, die Swasan (links) und ihr Mann Kamal vorsichtig hochheben.

Foto: (h_hochw )


"Wir wollten den Menschen eben nicht nur Deutsch beibringen, sondern ihnen auch für das Leben in Deutschland wichtige Grundlagen mitgeben." Sprachtkenntnis, Wissen über die Kultur des Landes und eine gelungene Integration, ist Weiß überzeugt, seien "eng miteinander verzahnt". Der Kurs der Arbeitsagentur lege damit auch einen wichtigen Grundstein für einen späteren Einstieg in die Berufswelt.
Anfangs sei es eine "heterogene Gruppe" gewesen mit sehr unterschiedlichen Bildungswegen und Vorkenntnissen, sagt Weiß. Viele hätten die lateinische Schrift erst lernen müssen. Vor allem die älteren Flüchtlinge beherrschten meist keine Fremdsprache wie etwa Englisch, die ihnen das Lernen hätte erleichtern können. "Aber sie haben große Fortschritte gemacht und sind inzwischen zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen", betont Dozentin Diane Perrins.
Wie zum Beweis stimmt eine der Teilnehmerinnen vor dem Essen ein Lied an. Auf kurdisch singt sie über die Schönheit der Landschaft in Syrien. Die anderen lauschen andächtig, einige können sich die Tränen nicht verkneifen. Auch Swasan ist gerührt, auch sie ist Kurdin und vermisst ihre Heimat. "Ich habe meine Mutter schon lange nicht mehr gesehen", sagt sie.
In Deutschland lebe sie seit sechs Monaten mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Der Sprachkurs habe ihr viel gebracht: "Wir verstehen uns alle sehr gut - und wir lernen viel, das hilft mir sehr."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort