Erst Rettung, dann Rechnung: Patienten sollen 190 Euro nach Evakuierung der Beethovengalerie zahlen

Konz · Zuerst gerettet, nun in der Zahlungspflicht: 37 Menschen mussten vor zwei Wochen wegen eines Gasalarms die Konzer Beethovengalerie verlassen, nun sollen sie 190,80 Euro zahlen. Obwohl die Krankenkassen die Rechnungen in den meisten Fällen begleichen, gibt es Kritik.

 Bei dem Einsatz in der Konzer Beethovengalerie haben neben Polizei und Feuerwehr auch Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes geholfen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Bei dem Einsatz in der Konzer Beethovengalerie haben neben Polizei und Feuerwehr auch Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes geholfen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Foto: friedemann vetter (Ve._), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Konz. Es waren vermutlich Reste von Pfefferspray im Aufzug der Konzer Beethovengalerie, die am 8. März Feuerwehren und Rettungsdienste auf den Plan gerufen haben. 37 Menschen haben bei der folgenden Evakuierung die Arztpraxen, das Fitnessstudio, das zahntechnische Labor und die Wohnungen in dem Gebäudekomplex verlassen müssen. Eine Frau wurde mit einem allergischen Schock in ein Krankenhaus gebracht, die meisten Patienten hatten aber keine größeren Beschwerden.. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Notarzt und den Sanitätern vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) war alles vorbei ("Feuerwehr evakuiert Beethovengalerie", TV vom 9. März) - bis die Geretteten am 17. März eine Rechnung des DRK-Kreisverbands im Briefkasten fanden.

Die Rechnung: 190,80 Euro sollen sie zahlen, steht darin. Im Detail ist die Rechnung aufgegliedert in 78,96 Euro Einsatzpauschale, 89,05 Euro Arztpauschale und 22,80 Euro Kilometerentgelt (siehe Extra). Beigelegt sind ein Krankenbeförderungsformular und ein DinA-4-Blatt: "Wenn Sie krankenversichert sind, teilen Sie uns bitte telefonisch Ihre Krankenkasse und Versichertennummer mit", steht darauf. Ohne Gruß, Absender oder weitere Erklärungen sind noch eine Fax- und eine Telefonnummer angegeben.

Die Betroffenen: Peter Voss, dessen Tochter während des Einsatzes in der Zahnarztpraxis war, hat sich nun schriftlich an den Volksfreund gewandt, weil er Aufklärungsbedarf sieht: "Es mag ja nun sein, das hier alles aus gesetzlicher Sicht seine Richtigkeit hat, aber die Art der Übermittlung dieser Form der Rechnungslegung ist für mich, noch höflich ausgedrückt, absolut grenzwertig. Bleibt also nur noch die Frage, kommt da wohl von der Feuerwehr auch noch so eine Rechnung?"
Auf Nachfrage in der Zahnarztpraxis, in der Voss' Tochter war, erklärt die zahnmedizinische Fachangestellte Tanja Maurer: "Wir haben alle die Rechnung am Freitag bekommen und waren nicht gerade begeistert." Die Behandlung habe aus einem kurzen Gespräch über ihren Zustand und der Aufnahme ihrer Daten bestanden. Nach ihrer Versichertenkarte sei nicht gefragt worden. Das bestätigt auch Werner Kordel, der in der Beethovengalerie ein zahntechnisches Labor betreibt. Er ist verärgert. Weil er privat versichert sei, müsse er vermutlich einen Teil der veranschlagten Kosten selbst tragen. Sein Fazit: "Der Einsatz ist gerechtfertigt, aber über die Kosten hätte man uns aufklären müssen."

Deutsches Rotes Kreuz: Beim DRK erteilt der Landesverband auf TV-Anfrage nähere Auskunft. Dort sagt Pressesprecherin Elisabeth Geurts: "Letztendlich bekommt der Patient den Betrag von der Krankenkasse ersetzt." Bei einem Einsatz wie in Konz werde bei jedem Patienten die Erstversorgung und die Dokumentation seines Falles abgerechnet, dann würden in der Regel Versichertenkarten registriert. Wenn jemand keine Karte dabei habe, müssten Name und Adresse registriert werden. Warum die Konzer nicht nach den Karten gefragt wurden, bleibt jedoch unklar, da sich beim DRK-Kreisverband urlaubsbedingt niemand gegenüber dem TV aktuell zu dem Einsatz äußert.

Feuerwehr: Weitere Rechnungen kommen den Patienten aus der Beethovengalerie nicht ins Haus geflattert. Da muss sich die Tochter von TV-Leser Peter Voss keine Sorgen machen. Für die Feuerwehr kommt die Allgemeinheit auf. In Konz bezahlt die Verbandsgemeinde Einsatzgeräte und -fahrzeuge. Die Helfer selbst engagieren sich ehrenamtlich. Wenn die Polizei aber den Verursacher findet, werde dieser in die Pflicht genommen, sagt Joachim Weber, erster Beigeordneter der VG Konz. Er müsste dann vermutlich nicht nur die Kosten für den Feuerwehreinsatz tragen.

Polizei: Ein verurteilter Täter müsste laut Polizei eventuell auch die Kosten der Patienten übernehmen - allerdings erst nach einem zivilrechtlichen Verfahren. Noch habe es aber keine Festnahme gegeben, sagt ein Sprecher der Polizeiwache in Konz. Er gehe weiterhin davon aus, dass jemand Pfefferspray in den Fahrstuhl gesprüht habe.
"Das war wohl als Streich gemeint, ist aber ausgeartet", sagt der Polizeisprecher. Der Verdacht ist nun, dass ein Schüler dafür verantwortlich sein könnte. Die Beethovengalerie werde als Abkürzung auf dem Weg von der Innenstadt zum Schulzentrum genutzt.Meinung

Ärgerlich für alle Beteiligten
Es ist kein Wunder, dass die Patienten überrascht waren von der Rechnung nach dem Großeinsatz in der Konzer Beethovengalerie. Schließlich erleben sie solche Situationen nicht jeden Tag und wissen nicht, wie solche Einsätze im Detail abgerechnet werden. Da wäre eine bessere Information vor Ort wünschenswert gewesen. Dazu wäre eigentlich auch die Zeit gewesen, weil ja letztlich niemand schwer verletzt worden ist. Ärgerlicher als die Rechnungen ist jedoch, dass jemand der Allgemeinheit solch große Kosten aufbrummt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, welche Konsequenzen seine Tat mit sich bringen könnte. Deshalb bleibt zu hoffen, dass die Polizei den Verantwortlichen findet, damit dieser für den entstandenen Schaden aufkommen muss. c.kremer@volksfreund.deExtra

Wie sich die Rechnung zusammensetzt, erklärt Elisabet Geurts: Die Einsatzpauschale und das Kilometerentgelt gehen laut der Pressesprecherin des DRK-Landesverbands an das Deutsche Rote Kreuz, die Gebühren für den Notarzt bekomme die Klinik, für die er tätig sei. Die Höhe der Pauschalen verhandle der Landesverband im Auftrag der Kreisverbände mit Vertretern der Krankenkassen aus. Ähnlich handhabten die Kliniken das für den Notarztdienst. Geurts betont:. "Wir sind immer 24 Stunden da, auch an Tagen, an denen nichts passiert. Deshalb können die Kosten nicht auf den Einzelfall übertragen werden." In den Rechnungen für einzelne Einsätze seien sogenannte Vorhaltekosten enthalten: Nur so kann dauerhaft ein Bereitschaftsdienst der Ärzte und Sanitäter gewährleistet werden. cmk

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