Fünf-Sterne-Abend

Da haben sich zwei gesucht und gefunden: Die Sopranistin Adréana Kraschewski vom Theater Trier und die ebenfalls aus der Region stammende Pianistin Nadine Schuster boten bei ihrem ersten gemeinsamen Konzert im Kloster Konz-Karthaus eine musikalische Sternstunde.

Konz. (DiL) Wenn Opernsänger Arien-Abende anbieten, gerät das allzu oft zu einem Gassenhauer-Konzert, bei dem man sich kein Orchester leisten konnte. Anders bei Adréana Kraschewski: Nichts wird präsentiert, was dem kammermusikalischen Ambiente widerspräche. Und trotzdem gibt es eine klare Trennlinie zum kunstvollen, aber blutleeren Liedgesang: Es geht emotional zu, mit großer, aber nie übertriebener Emphase. Mustergültig zu verfolgen gleich bei Mozarts Konzertarie "Voi avete", zelebriert als kleine Oper, gewandt in den Koloraturen, ohne aber je zum Nachtigallen-Gesang zu degenerieren. Wunderbar auch der Ausflug zu Bellinis Liedern, bei denen Kraschewski mustergültig zeigt, dass Oper, Kunstlied und populäre Canzone irgendwann aus der gleichen Quelle entsprungen sind. Und als wolle sie nicht nur die Geschmackssicherheit der Auswahl, sondern auch die Stringenz des Programmaufbaus dokumentieren, folgen drei Verdi-Lieder aus den 1845 entstandenen "Sechs Romanzen". Da kann die Sopranistin ihre betörend schöne hohe Mittellage aufblühen lassen.

Nicht erst da wird deutlich, wie ideal das Zusammenwirken mit Nadine Schuster funktioniert, die nicht Begleiterin ist, sondern gleichberechtigte Partnerin. Zwei Künstlerinnen, denen die Eigenständigkeit der Interpretation und das Transportieren der Emotionen weit wichtiger ist als zirsensisches Funkeln. Selbst Bachs Praeludium zur Partita Nr. 1 klingt bei Schuster tief beseelt, Schumanns "Faschingsschwank" transportiert eine Ahnung von Melancholie, und Chopins Nocturne op. 9 wirkt aufgeraut und frei von jeder "Nettigkeit". Und bei Gershwins Préludes zeigt Schuster so kraftvoll wie gekonnt die Nähe zu Blues und Jazz.

Was für eine "Lucia di Lammermoor" Trier verpasst hat, lässt Adréana Kraschewski mit ihrer hinreißend interpretierten "Regnava nel silenzio"-Arie ahnen. Da gehen die Lust an der sängerischen Gestaltung, das gute Gefühl für Timing und ein Timbre zum Dahinschmelzen eine optimale Kombination ein. Weniger überzeugend: Die Olympia-Arie aus Hoffmanns Erzählungen, bei der es genau auf jene maschinelle Koloratur-Brillanz ankommt, die das Duo sonst zum Glück vermeidet.

Fürs Herz gibt's dann noch ein bisschen prächtigen Edelkitsch von Reynaldo Hahn und zwei amerikanische Klassiker. Aber gerade bei "Summertime" (Porgy and Bess) und "Somewhere" (West Side Story) vermeiden die Sängerin und die Pianistin jede Kuscheligkeit und bringen, was viel zu selten gelingt, die Tragik und Doppelbödigkeit des Inhalts zur Geltung.

Als Zugabe Poulencs wunderbare "Chemins d'amour", das passende Tüpfelchen aufs i. Ein Fünf-Sterne-Abend, vom Publikum mit dankbarem Beifall quittiert.

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