Gegen Panik hilft nur üben, üben, üben

Serrig · Nur zwei Tage nach der Brandkatastrophe in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt mit 14 Todesopfern hat das Hofgut Serrig, eine ähnliche Einrichtung, für den Ernstfall geprobt. 170 Menschen mit Behinderung und 40 Betreuer mussten in Sicherheit gebracht werden. Fachleute erklärten den richtigen Umgang mit Löschgeräten.

 Hofgutchef Michael Köbler probt den Ernstfall. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Hofgutchef Michael Köbler probt den Ernstfall. TV-Foto: Herbert Thormeyer

"Da haben wir richtig Brisanz in unsere Übung bekommen", sagt der Leiter des Hofgutes Serrig, Michael Köbler, und meint damit die Katastrophe, die sich im Baden-Württembergischen Titisee-Neustadt abgespielt hat. In einer Behindertenwerkstatt, ähnlich der des Hofguts, forderte ein Brand 14 Todesopfer (der TV berichtete).

Die Übung auf dem Hofgut war allerdings seit Langem geplant. Einmal im Jahr wird dort die Evakuierung der Gebäude geübt. 170 Behinderte und 40 Betreuer müssen in Sicherheit gebracht werden. "Im Ernstfall würden auch etwa 1500 Tiere ins Freie gelassen", sagt Köbler.

Angekündigt hatte der Einrichtungsleiter nur eine Unterweisung an Löschgeräten durch eine Fachfirma. Der Alarm, ausgelöst von einen Rauchmelder im Keller des Hauptgebäudes, eines von 157 Geräten dieser Art auf dem Gelände, kommt überraschend.
"Allein im Hauptgebäude arbeiten 120 Menschen", erklärt der Chef, der wissen wollte, wie Abläufe verbessert werden können. Nach nur drei Minuten sind alle am Sammelpunkt, der durch ein Schild gekennzeichnet ist. "Das ist ein sehr guter Wert", freut sich der Brandschutzbeauftragte der Einrichtung, Ralf Kinzig, selbst ein Feuerwehrmann.
Fingerspitzengefühl erforderlich


Einige Mitarbeiter beschweren sich jedoch: "Das mit dem Ausdrucken der Namenslisten dauert viel zu lange." Jetzt liegen die Listen immer griffbereit in den einzelnen Abteilungen. Noch brisanter ist die Klärung, ob denn alle aus dem Gebäude heraus sind.

"Wir haben es hier mit einer Klientel zu tun, die bei Feuer unter Umständen wie Kinder versucht, sich zu verstecken", weiß Köbler. Deshalb müssen alle Toiletten und Duschen durchsucht werden. Auch Panikreaktionen sind zu bewältigen. "Feuerwehrleute müssen mit Menschen klarkommen, die mit einem Schreikrampf am Boden liegen", erklärt Ralf Kinzig. Die einzelnen Gruppenleiter melden im Ernstfall dem Einsatzleiter der Feuerwehr die Vollzähligkeit der Evakuierten. Die Einsatzkräfte haben Lagepläne und sind durch Übungen auf dem Gelände mit der Anlage vertraut.
Zweimal gab es bereits diesen Ernstfall in Gebäuden, einmal in einem Spänesilo. "Das war immer außerhalb der Dienstzeit", beruhigt Köbler.

Der richtige Umgang mit Feuerlöschern durch das Betreuungspersonal ist ein wichtiger Sicherheitsfaktor. Deshalb wurde das neben der Evakuierung ebenfalls geübt. Mitarbeiterin Petra Hoffmann bediente erstmals einen Feuerlöscher und stellte fest: "Gut, dass ich das mal gemacht habe." Einen Unterschied zu den baulichen Gegebenheiten beim Brand im Schwarzwald sieht Hofgut-Chef Köbler schon: "Die Gebäude sind alle einstöckig und ebenerdig erschlossen. Niemand braucht hier aus dem Fenster zu springen." Die etwa 1500 Tiere auf der Anlage können aus den Ställen einfach ins Freie auf die Weiden gelassen zu werden. Für alle Mitarbeiter und Besucher gilt jedoch weiterhin sicherheitshalber ein Rauchverbot.

Bauliche Veränderungen, wie Sprinkleranlagen, seien nicht geplant, sagt Köbler. Es solle aber verstärkt darauf geachtet werden, brennbares Material wie Kartons nicht in großen Mengen in den Werkstätten zu lagern. Außerdem sagt Köbler: "Die Lehre aus der Tragödie im Schwarzwald ist auch: üben, üben, üben." Routine im Notfall sei besonders wichtig.Extra

Das Hofgut Serrig ist ein Betrieb der Lebenshilfe-Werke Trier. Etwa 170 Menschen, vorwiegend geistig Behinderte, arbeiten auf dem Gut. Sie montieren Industrieteile, schreinern, oder arbeiten in der Landwirtschaft. doth

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