Gemecker in der Idylle

SAARBURG. Eine Armada von Behörden-Vertretern fuhr am Mittwoch am Saarburger Blümchesfeld 26 vor, um das Anwesen zwangszuräumen (TV vom Freitag). Dessen Eigentümer hatte wegen Eigenbedarfs auf Räumung des Häuschens samt Grundstück geklagt. Die Pächterin, Diplom-Psychologin Ursula Tillmann, machte geltend, wegen ihrer "Therapieziegen" bleiben zu müssen.

Die 43 weißen und braunen Therapieziegen auf dem idyllisch gelegenen Grundstück meckern kein einziges Mal, als die Behördenvertreter anrücken. Pächterin Ursula Tillmann ist ebenfalls ruhig: Sie zeigt ein Schreiben, nach dem sie sich an diesem Tag ein Schweigegelübde auferlegt hat. Obergerichtsvollzieher Tilmann Konz ist mit zwei Helfern erschienen. Ebenfalls vor Ort sind Michael Meyer vom Ordnungsamt Saarburg, Michael Gern von der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, Nebenstelle Gesundheitsamt, zwei Beamte der Polizeidienststelle Saarburg und Veterinärin Ute Marx von der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. Der Obergerichtsvollzieher erläutert den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Saarburg über die Zwangsräumung des Wochenendhauses und des Grundstückes mit der Ziegenherde. Das Gericht habe am 27. Dezember 2004 einen nun rechtskräftigen Räumungsvergleich zwischen beiden Parteien erlassen. Danach habe sich die verklagte Pächterin verpflichtet, bis 31. März Häuschen und Grundstück mitsamt ihren Ziegen zu räumen. Dies habe sie nicht getan. Nach Ablauf dieser Frist erhielt der Obergerichtsvollzieher vom Amtsgericht Saarburg den Auftrag zur Zwangsräumung. Er teilte der Pächterin am 13. April mit, dass diese am 11. Mai erfolge. Eine freiwillige Räumung des Anwesens war von der Diplom-Psychologin wegen ihrer Therapieziegen abgelehnt worden. Tillmann hört den Erläuterungen des Obergerichtsvollziehers schweigend zu. Er erklärt ihr den Sachstand: "Ihr Antrag vom 9. Mai an das Amtsgericht Saarburg auf Vollstreckungsschutz gegen die heutige Zwangsräumung ist gestern wegen Fristversäumnis abgelehnt worden." Dann meldet sich der Eigentümer, der nicht genannt werden will, zu Wort: "Ich möchte, dass das Haus geräumt und versiegelt wird und die Ziegen vom Grundstück entfernt werden." Er beschwert sich: "Das Haus war vorher tadellos in Ordnung. Jetzt gehen die Ziegen im Haus ein und aus, und es ist unbewohnbar. Die Ziegen haben die Rinde von den Bäumen gefresssen, die sind alle kaputt." Er sagt: "Die Miete beträgt 100 Euro im Monat, das ist die Hälfte des ursprünglichen Mietpreises. Außerdem hatten wir Frau Tillmann bereits ein halbes Jahr Mietfreiheit gewährt." Jetzt wolle er jedoch sein Eigentum zurück.Keine Ohrmarken, kein Transport

Da Frau Tillmann nicht spricht, beantworten zwei Freundinnen die Fragen der Beamten. Eine der beiden sagt erregt: "Es geht hier nicht nur um Menschen, sondern auch um die Tiere. Ursula kümmert sich 24 Stunden um ihre Therapieziegen." Einer der Umstehenden bemerkt: "Die Ziegen haben keine Ohrmarken. Ohne die ist der Transport verboten." Der Begriff "Therapieziegen" wird in der Runde diskutiert. Dr. Ute Marx sagt: "Autistische Kinder werden durch den Umgang mit Tieren wie Pferden und Hunden behandelt. Über Ziegen ist mir nichts bekannt." Die Veterinärin bestätigt aber die artgerechte Tierhaltung der Ziegen. "Vielleicht gibt es Interessenten, die Ziegen aufnehmen wollen. Frau Tillmann sagte mir, dass sie einige abgeben würde." Marx sagt weiter: "Bis Ende Mai sind auch alle Ziegen mit Ohrmarken versehen." In einer "Presseerklärung" hatte sich Tillmann, die sich als Sennerin und Künstlerin bezeichnet, an die Medien gewandt. Sie bezeichnet die Zwangsräumung als Verschwörung von Gemeinde und Nachbarn gegen ihr Gesamtkunstwerk "Capra Libre mit Sennerin" (sinngemäß: "Freiheit für Ziegen mit Sennerin"). Weiter schrieb sie, dass sie durch gewaltfreie Aufzucht, Wahrnehmungs- und Verhaltenstraining die Ziegenherde in ihren Lebenszusammenhang integriert habe. Sie betrachte dieses Zusammenleben als "soziale Struktur" und warne davor, dass sie von diesem Gesamtkunstwerk gewaltsam getrennt würde. Nachbarn, die nicht genannt werden wollen, sagen: "Die Geruchs- und Lärmbelästigung ist unerträglich. Dazu kommt Sachbeschädigung durch frei laufende Ziegen und wüste Beschimpfungen durch Frau Tillmann. Wir machen drei Kreuze, wenn sie endlich geht." Für die Unterbringung der Mieterin und ihrer Ziegen zeichnen sich Möglichkeiten ab. Eine Freundin könnte Tillmann vorübergehend unterbringen, die ab 31. Mai eine Wohnungszusage in Trier hat. Ein Privatmann hat ihr für ihre Ziegenherde ein Gelände in Aach angeboten. Eigentümer und Mieterin einigen sich auf einen letzten freiwilligen Räumungstermin zum 31. Mai. Obergerichtsvollzieher Tilmann Konz legt als letzten Termin den 6. Juni fest: "An diesem Tag müssen Haus und Grundstück mit den Ziegen geräumt sein. Anderenfalls erfolgt am gleichen Tag die Zwangsräumung." Die Kosten für Wasser und Strom ab der gescheiterten Zwangsräumung bis 31. Mai trägt die Stadt Saarburg.

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