Grundsatzdebatte um Friedhofssatzung: Viele Reaktionen auf TV-Artikel zum Streit um eine Beisetzung in Freudenburg

Freudenburg · Der Fall der Freudenburgerin, deren Urne nicht im Grab ihres Ehemannes beigesetzt werden konnte, weil sie drei Monate zu spät gestorben ist, hat vor Ort und im Internet allerlei Diskussionen ausgelöst. Der Ortsbürgermeister kündigt nun an, eine Grundsatzdebatte im Rat führen zu wollen. Den aktuellen Fall wird diese Debatte aber wohl nicht mehr betreffen.

 Die vorgeschriebenen Ruhezeiten der Reihengräber verursachten in Freudenburg einen Konflikt um eine Urnenbeisetzung. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die vorgeschriebenen Ruhezeiten der Reihengräber verursachten in Freudenburg einen Konflikt um eine Urnenbeisetzung. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter

Das Telefon von Margot Pletsch und ihrem Mann Alfred Bentenrieder klingelte nach Veröffentlichung des TV-Artikels " Drei Monate zu spät gestorben - Frau darf nicht im Grab ihres Mannes beerdigt werden " Sturm. Er sagt: "Wir wurden von positiven Reaktionen geradezu überschüttet." An die 20 Freudenburger hätten angerufen. Sie seien froh gewesen, dass endlich mal jemand was in dieser Sache unternehme. Viele seien durch die Geschichte auch erst wachgerüttelt worden.
Die Geschichte dreht sich um die sterblichen Überreste der Mutter von Margot Pletsch. Der Wille der Mutter war laut ihrer Tochter immer, im Fall ihres Todes zu ihrem Ehemann ins Grab zu kommen. Die Mutter starb überraschend an Ostersonntag. Ihr Letzter Wille scheiterte zum Leidwesen der Tochter an der Freudenburger Friedhofssatzung.25 Jahre Ruhezeit


Die Satzung, die der Ortschef strikt anwendet, schreibt für ein Reihengrab eine Ruhezeit von 25 Jahren vor. Eine Urne kann in ein solches Grab nur dann hineingegeben werden, wenn dort ihre Ruhezeit von mindestens 15 Jahren gewährleistet ist. Das Grab von Pletschs Vater war jedoch bereits zehn Jahre und drei Monate alt, so dass die vorgeschriebene Ruhezeit für die Urne um just drei Monate unterschritten worden wäre.
Margot Pletsch musste ihre Mutter deshalb "zwangsläufig", wie sie sagt, in der Urnenwand beerdigen. Doch sie will die Entscheidung des Ortschefs nicht hinnehmen und notfalls vor Gericht anfechten.
Auch Ortsbürgermeister Bernd Gödert haben nach dem Artikel zum Fall Pletsch viele Freudenburger angesprochen. Ihre Zahl schätzt er grob auf 30 bis auch 40. "Alle bis auf einen haben sinngemäß gesagt, es sei der einzig gangbare Weg, sich an die Satzung zu halten, um auch gerecht zu sein", sagt Gödert.
Er ergänzt, dass aus seiner Sicht in diesem Fall nur eine Härtefallregelung infrage kommt. Gödert: "Doch wo wird dann die Grenze gezogen für solche Härtefälle? Wie lange darf die Frist überschritten werden?" Generell stellt der Ortschef fest, dass es ungerecht sei, Ausnahmeregelungen zu treffen, und dass er konsequent und nicht etwa stur sei, wie ihm Margot Pletsch vorgeworfen hat.
Gödert will auch nicht so gesehen werden, als würde er das Thema einfach abtun, auch wenn er im aktuellen Fall nicht von seiner Position abrückt. Er sei sich bewusst, dass es um den sensibelsten Bereich in der Gemeinde gehe, sagt er. Der erste Fall mit knapper Fristverfehlung habe ihm schlaflose Nächte bereitet. Doch die Betroffenen hätten mit Verständnis reagiert, wenn er die Situation erklärt habe.
Wie viele Fälle dieser Art es bereits gab, kann Gödert nicht sagen. Doch scheint dieser Fall ihn zum Nachdenken über die Zukunft zu bringen.
Er kündigt an, das Thema Friedhofssatzung in einer der nächsten Ortsgemeinderatssitzungen auf die Tagesordnung zu setzen. Er will eine Grundsatzdiskussion führen zur Frage, ob der Rat Änderungsbedarf sieht.
Damit künftig Menschen nicht mehr vor dem Problem stehen, dass ihre Asche wegen einer knappen Fristverfehlung nicht mehr im Grab ihres Partners beigesetzt werden kann, könnte die Gemeinde laut Gödert wieder Familiengräber einführen. Diese sind vor Göderts Zeit in Freudenburg wegen Platzmangels auf dem Friedhof abgeschafft worden. Auch Familiengräber für Urnen gebe es bislang nicht, stellt Gödert klar. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen nach ihrem Tod verbrannt werden wollen und Urnen nicht so viel Platz einnehmen wie Sarggräber, hält Gödert die Wiedereinführung von Familiengräbern für möglich.Extra

Stimmen zum Freudenburger Fall: Auf der Facebookseite von volksfreund.de wird die Entscheidung des Freudenburger Ortschefs in 34 Kommentaren fast durchweg scharf kritisiert. "Das ist der deutsche Amtsschimmel, den sollten die mal in Rente schicken. Da fehlen einem die Worte bei so viel Irrsinn", schreibt eine Frau. Ein weiterer Kommentator postet: "Ich fände es sehr gut, wenn es zur Klärung vor Gericht käme, denn es wird ja in Deutschland nicht einheitlich gehandhabt, also kann es ja kein geltendes Gesetz sein, höchstens eine Satzungsvorschrift der Gemeinde. Also könnte doch der Rat dem Bürgermeister freie Hand erteilen. Sturheit sollte bezwungen werden!" Zwei Schreiberinnen berichten, dass sie das Gleiche, allerdings in anderen Orten, erlebt haben. Bei einer fehlte sogar nur eine Woche, um die Frist zu erfüllen. Guido Rach, Beigeordneter der Ortsgemeinde Freudenburg, kritisiert hingegen die Berichterstattung des TV. In seiner Mail an den Volksfreund schreibt er: "Der Letzte Wille eines Menschen ist sicher ein wichtiges Gut, doch selbst hierbei gibt es Regelungen, die einzuhalten sind. Wenn unser Ortsbürgermeister die Bestattungssatzung der Gemeinde für jeden gleichermaßen anwendet, so verhält er sich nicht ,hartherzig und stur\\', sondern verantwortungsbewusst und fair denjenigen gegenüber, die in zurückliegenden Fällen die gültige Regelung anstandslos akzeptierten, und gegenüber Angehörigen eventuell nachfolgender Sterbefälle." Er fragt, welche Karenz gelten solle: ein Tag, ein Monat oder ein Jahr? Abschließend meint Rach: "Regelungen und Satzungen sind nun mal da, um Willkür zu verhindern - und das ist gut so!" mai

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort