"Halber Himmel auf Erden"

HERMESKEIL. Er ist der wohl bekannteste Ruheständler in der Hochwaldstadt. 26 Jahre lang war Otfried Stertenbrink (70) Pastor in Hermeskeil. Seine Nachfolge hat Dechant Clemens Grünebach zwar schon im Mai angetreten. Wegen eines schweren Unfalls kann "Otti", wie ihn fast alle liebevoll nennen, aber erst am Sonntag (15 Uhr) in der Martinuskirche offiziell aus seinem Amt verabschiedet werden. Im TV-Interview blickt Stertenbrink auf seine Wirkenszeit zurück.

Herr Stertenbrink, ihr Abschiedsfest musste ja wegen eines langen Krankenhausaufenthalts und anschließender Reha notgedrungen verschoben werden. Deshalb erlauben Sie die erste Frage: Wie geht es Ihnen?Stertenbrink: "Ich musste nach meinem Unfall ja dreimal am Kopf operiert werden. Das war schon ein Gang durch die Hölle. Ich habe aber in jeder Hinsicht Glück und einen guten Schutzengel gehabt. Denn es gibt keine Nachfolgeschäden, außer der Tatsache, dass ich 20 Kilo abgenommen habe. Ich habe außerdem aber eine Therapie der besonderen Art erfahren, nämlich die große Anteilnahme der Bevölkerung an meinem Schicksal. Das zeigt Ihre Beliebtheit hier in Hermeskeil, was sicher auch an Ihrer lebenslustigen und geselligen Art liegt. Wie wichtig ist für einen katholischen Priester eigentlich Humor?Stertenbrink: Ich habe meine Seelsorge immer bewusst so gestaltet, dass man im Menschen immer das Gute sehen muss und in jedem eine Perle steckt. Deshalb habe ich auch größten Wert darauf gelegt, den Leuten klar zu machen, dass das Leben nicht nur Tiefen hat, sondern auch Höhen. Wir müssen also nicht nur leiden, sondern wir dürfen auch feiern. In 26 Jahren, die sie hier in Hermeskeil gewirkt haben, gibt es sicher viele Begegnungen und Erlebnisse, die haften geblieben sind. Können Sie da überhaupt eine Begebenheit besonders hervorheben?Stertenbrink: Ja, denn das schönste Erlebnis war ein Dauererlebnis. Ich erinnere mich noch gut daran, als bei meiner Amtseinführung der damalige Bürgermeister zu mir gesagt hat: "Sie treffen hier einen steinigen Acker an". Er hatte damit auch den Menschenschlag hier oben gemeint. Deshalb hatte ich schon so meine Zweifel, ob mir hier nicht eine mühsame Zeit bevorstehen würde. Es ist aber ganz anders gekommen. Ich habe in der Pfarrgemeinde ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl erfahren und hatte oft den Eindruck, dass ich hier in Hermeskeil so etwas wie der Heilige Vater in Rom bin (schmunzelt). In ihrer Amtszeit hat sich auch vieles innerhalb der Kirche und ihrer Rolle in der Gesellschaft gewandelt. Welches ist für Sie die wichtigste Veränderung?Stertenbrink: Ganz entscheidend ist sicher, dass die Kirche nicht mehr die Autorität wie früher hat. Da wäre es ja fast undenkbar gewesen, einen Pfarrer zu kritisieren. Ich sehe in dieser Entwicklung aber auch einen Vorteil. Die Kirche kann die Leute nämlich nur noch dadurch gewinnen, dass sie überzeugend wirkt, das Evangelium glaubhaft vermittelt und die Menschlichkeit in den Vordergrund stellt. Abschließende Frage: Werden Sie Hermeskeil auch als Ruheständler verbunden bleiben?Stertenbrink: Ja. Es ist ja schon so etwas wie der halbe Himmel auf Erden, den ich in Hermeskeil gefunden habe. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass ich hier wohnen bleiben darf. Normalerweise ist es bei uns nämlich Sitte und Gebrauch, dass der Pastor nach seiner Pensionierung die Pfarrei verlässt. Der Bischof ist in diesem Punkt aber auf den ausdrücklichen Wunsch der Gemeinde eingegangen. Er hat mir aber nahe gelegt, dass ich mich der Seelsorge enthalte und (schmunzelt erneut) meinem Nachfolger Clemens Grünebach unterwürfig zur Verfügung stelle. Das werde ich natürlich auch machen. Ab dem 1. Januar werde ich deshalb die Pfarrei als eine Art Hilfssheriff unterstützen. Das Gespräch führte TV-Redakteur Axel Munsteiner

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort