Helfer proben für mögliche Atomkatastrophe

Konz/Saarburg · Kommt es in Cattenom zu einem atomaren Unglück, sollen Bürger, die nicht fliehen können oder wollen, in einem Notfallzentrum versorgt werden. Am Samstag ist die Einrichtung in Konz probeweise betrieben worden.

Konz/Saarburg. Samstagvormittag am Schulzentrum in Konz: Dutzende Fahrzeuge stehen auf dem Gelände. Sie gehören der Polizei und Feuerwehren, Rotem Kreuz,Maltesern und technischem Hilfswerk (THW). Überall sind die Helfer unterwegs, viele in weißen Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken. Funksprüche sind allgegenwärtig. Vor Zelten und Pavillons warten Bürger mit besorgten Mienen darauf, dass Geigerzähler an ihren Körpern entlang gestrichen werden. Sie sollen Gewissheit geben über eine mögliche radioaktive Verstrahlung. Denn es hat im französischen Kernkraftwerk Cattenom eine schwere Havarie gegeben. Aus der Anlage sind große Mengen Radioaktivität entwichen, die der Wind in die Region getragen hat.
Das oft befürchtete Szenario ist zum Glück nur gedachter Teil einer Übung, die die Verwaltung des Kreises am Samstag im Konzer Schulzentrum abgehalten hat. Rund 150 Hilfskräfte haben daran teilgenommen, hinzu kommt eine fast ebenso große Zahl freiwilliger Testpersonen. Es galt, eine Notfallstation aufzubauen und zu betreiben (siehe Extra). In der Station sollen Menschen im Fall des Falles nicht nur Informationen, sondern auch medizinische Hilfe erhalten: Wenn das Messgerät bedrohliche Werte anzeigt, wird der Betroffene zum Waschen oder Duschen geschickt.Duschen gegen Strahlung

"Die Idee ist, dass die Strahlung über Staub und sonstige äußerliche Einflüsse an einen herangekommen ist. Über das Duschen und das Ablegen der Kleidung versucht man, die Belastung möglichst weit zu senken", erklärt Thomas Müller, Pressesprecher der Trier-Saarburger Kreisverwaltung. Er steht inmitten der weiß gekleideten Hilfskräfte im gekachelten Badbereich der schulischen Turnhalle, wo die Tester ihre Kleidung allerdings anbehalten dürfen. Geduscht wird heute nur in der Theorie.
Das Notfallzentrum besteht aus insgesamt elf Stationen. Zunächst erhalten die Hilfesuchenden Informationen zur aktuellen Lage und melden sich per Formular an. Wer befürchtet, verstrahlt worden zu sein, durchläuft den "Schwarzbereich" - hier müssen sich die Helfer bei ihrer Arbeit selbst sorgfältig vor einer möglichen Verstrahlung schützen. Dem Duschen folgt eine Abschätzung der effektiv erhaltenen Strahlendosis. Wenn die Werte Anlass dazu geben, gibt es ein Gespräch mit einem Strahlenmediziner: Der gibt in Fällen leichterer Ausprägung Verhaltensregeln vor - oder schickt die schlimmer betroffenen Strahlenopfer ins Krankenhaus.
Gerade bei schlimmen Neuigkeiten gibt es in der "Betreuungsstation", die vorher noch eine Turnhalle war, auch psychologische Unterstützung. Obgleich die Seelsorger bei der Übung vor Ort sind, haben sie deutlich weniger zu tun als am möglichen Tag X: Auch der düstere Hintergrund der atomaren Katastrophe macht aus den Probanden während der Übung keine Vollblutschauspieler, die Stimmung ist konzentriert, aber gelöst, es wird gealbert und gelacht.
"Im Notfallzentrum kann in Zusammenarbeit mit dem Katastrophenschutz auch geschaut werden, wo Personen untergebracht werden können, die zunächst nicht mehr nach Hause dürfen." Außerdem nimmt das Rote Kreuz auf Wunsch Personendaten auf, um Menschen wieder zusammenzuführen, die sich in den Wirren der Katastrophe aus den Augen verloren haben.
Im Ernstfall versuchten 80 Prozent der Bevölkerung, auf eigene Faust das Gefahrengebiet zu verlassen, schätzt Pressesprecher Müller. "Für alle anderen ist das Notfallzentrum da." Als Landrat des Kreises wertet Günther Schartz am Nachmittag den Ablauf der Übung als Erfolg: Die Installation des Notfallzentrums habe gut geklappt. "Aber ob wir für den Ernstfall gut gerüstet sind, sehen wir natürlich erst im echten Ernstfall."
volksfreund.de/videoExtra

Die Notfallstation ist Teil des Notfallplans der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) für den Fall eines Unfalls in einem Kernkraftwerk. Dabei würde das Konzer Schulzentrum nur als Standort für die Station genutzt, wenn es nicht selbst im Kernbereich der Strahlenbelastung liegt. Reicht die Strahlung doch bis in die Saar-Mosel-Stadt, müsste ein anderer Ort für das Zentrum gesucht werden, der ebenso viel Platz bietet, erklärt Heinz Wolschendorf, Leiter des Referats für Katastrophenschutz bei der ADD. "Aber im Prinzip wollen wir es gar nicht in Betrieb nehmen: Sollte es tatsächlich zu einem Vorfall kommen, hoffen wir, genug Zeit für eine Evakuierung des Gebiets zu haben." fggExtra

Wie schnell es zum Ernstfall kommen könne, habe zuletzt das Reaktorunglück im japanischen Fukushima gezeigt, sagt Jörg Hurt aus Nittel, der als freiwillige Testperson dabei war. "Da finde ich es gut, dass man solche Übungen macht und dass die Bevölkerung sieht, dass man sich auf den Ernstfall vorbereitet." Helga Wallrich aus Saarburg zeigte sich angetan von der Organisation. "Das war gut gemacht und sehr interessant. Aber natürlich würde es im Ernstfall doch etwas hektischer zugehen - darum kann man nur hoffen, dass der Tag niemals kommt." fgg

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