"Hilfe, eine Schlange!"

FELL-FASTRAU. Es sollte ein gemütlicher Sonntag werden. Mann und Kinder waren aus dem Haus, Petra Willems hatte es sich auf dem Sessel bequem gemacht. Doch es kam anders: Plötzlich schlängelte sich "ein neunzig Zentimeter langes, daumendickes Etwas" blitzschnell durch das Wohnzimmer.

Petra Willems glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Flink bahnte sich eine grau-schwarze Schlange mit zitronengelben Streifen den Weg über die hellen Wohnzimmerfliesen und verschwand hinter der Gardine. Vorbei war es mit der Sonntagsruhe, der Adrenalinspiegel schnellte nach oben. "Das kann doch nicht wahr sein. Was soll ich tun? Jetzt sitzt das Vieh in der Ecke", schoss ihr durch den Kopf. Ist es eine Ringelnatter? Ist es eine Kreuzotter? Ist das Tier giftig? Die Familie war ausgeflogen, von den Verwandten war niemand zu erreichen. So bat sie den Nachbarn Albert Hoff um Hilfe. Mit Handschuhen ausgerüstet, eilte der ins Nachbarhaus, um den Fremdling, der noch immer hinter dem Vorhang verharrte, zu entsorgen. "Sieht aus wie eine Ringelnatter, aber ich bin mir nicht sicher", mutmaßte der Helfer, dem die Schweißperlen auf der Stirn standen. Mit einer Grillzange fasste er das übel riechende Reptil. Kaum aus der Terrassentür herausgetreten, "flutschte" das zappelige Kriechtier zwischen den Greifarmen der zweckentfremdeten Zange durch. "Wie eine Kobra hat sie sich hochgestellt, gezischt und ein Sekret ausgestoßen", sagt Petra Willems. Zu diesem Zeitpunkt ging bei der 40-Jährigen nichts mehr. Die Diabetikerin war mittlerweile grau im Gesicht, und die Lippen waren blau. "Ich bin vor lauter Aufregung und Unterzucker fast ins Koma gefallen", erinnert sie sich mit Schrecken. Der Eindringling war zwar endlich im Freien, doch die vermeintliche Gefahr noch lange nicht gebannt. Während die Schlange wendig im Sickerkasten Richtung Kellerfenster verschwand, raste Petra Willems in den Heizungskeller, um das Fenster zu verriegeln. Das Tier fand aber noch ein winziges Schlupfloch und huschte in den Keller, und Sonnenlicht lockte es wieder nach oben. Von diesem Moment an hatte es aber gegen die fest verschlossenen Fenster und den mit Brettern und Kisten verbarrikadierten Sickerkasten keine Chance mehr, zu entwischen. "Das Vieh muss weg", forderte Petra Willems. Anrufe bei einigen Tierärzten blieben fruchtlos. Aber vielleicht konnte die Feuerwehr helfen. So eilten die Schweicher Brandschützer herbei. Doch auch sie konnten die nervtötende Situation noch nicht beenden. Willi Thul, Wehrführer der Verbandsgemeinde-Feuerwehr Schweich begutachtete das Trier aus der Distanz und beschloss: "Da gehe ich nicht dran. Das ist ein Fall für den Schlangenkenner Hans Grundhöfer." Durchschnittlich fünfmal im Jahr greift Grundhöfer ein, wenn die Brandbekämpfer mit ihrem Latein am Ende sind. Unter anderem, als sich eine Boa, eine Würgeschlange, auf einer Parkbank in Mariahof niedergelassenen hatte - oder als Mieter eine Boa in einer geräumten Wohnung in Thalfang zurückließen.Erst der Experte gab Entwarnung

In Fell genügte ein Blick, und Hans Grundhöfer wusste Bescheid: "Es handelt sich um eine heimische Ringelnatter." Aufatmen! Er packte das unter Artenschutz stehende Tier, steckte es in einen Sack und gab ihm in einem einige Kilometer entfernten Gewässer wieder die Freiheit. Übel gerochen habe das Reptil, denn sobald es sich angegriffen fühle, stoße es ein stinkendes Abwehrsekret aus. "Wenn ein Reptil nicht eindeutig identifiziert werden kann, lassen sie bloß die Finger davon", rät Grundhöfer. Vor allem an Gewässern würden sich heimische Schlangen gerne aufhalten, so der Experte. Vermutlich sei das Reptil vom Gartenteich der Familie Willems angelockt worden. Schlangenexperte Grundhöfer hilft zwar, wo er kann. Doch Feuerwehr und Polizei rät er zu einer Schulung - der richtige Umgang mit unbekannten und möglicherweise giftigen Getier lasse sich erlernen. Morgen der Serie: Riesenstimmung bei der Föhrener Kirmes mit Casting-Show.

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