Hühner, Hofladen und Getreide-Anbau: Landwirte suchen neue Marktstrategien
Fisch/Saarburg · Kühe in der Werbung vermitteln ländliche Idylle. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. In den Laufställen kümmern sich Roboter ums Melken der Kühe, und der Milchpreis ist so niedrig, dass landwirtschaftliche Betriebe nur eine Chance zum Überleben haben: Sie müssen wachsen und ihre Angebote differenzieren. Der TV stellt zwei Beispiele aus dem Saargau vor.
Fisch/Saarburg. Hans-Peter Wacht aus Fisch ist noch immer fassungslos: "Für 100 Kilogramm Backweizen habe ich jüngst 14,70 Euro bekommen", erzählt der Landwirt. Während der Ernte hat er dank entsprechender Verträge noch 18,50 Euro für den Doppelzentner erzielt. 1954 wurde für die gleiche Menge noch ein Preis von umgerechnet 20 Euro gezahlt.
Wachts Resümee: "Diese Entwicklung ist beängstigend. Bislang konnten die Betriebe diese Entwicklung abfedern, weil sie gewachsen sind." So wie sein Hof, der vor 40 Jahren mit elf Kühen und 36 Zuchtsauen mitten im Dorf angesiedelt war. Zehn Jahre später hatte Wacht 40 Milchkühe, inzwischen sind es 90. Schweine gibt es seit 40 Jahren keine mehr auf dem Hof. Dazu bewirtschaftet Wacht eine Fläche von circa 150 Hektar, davon 80 Hektar Ackerland. Das Getreide verfüttert er entweder an seine Rinder oder er verkauft es.
Ortswechsel: Der Betrieb von Johann Hirt aus Saarburg-Kahren hat 150 Milchkühe. Außerdem hält der Bauer 300 Hühner. Die Eier vermarktet Hirt unter anderem über seinen Hofladen. "Den hatte ich vor einigen Jahren schon fast dichtgemacht. Aber als die Milchpreise immer tiefer fielen, habe ich ihn wieder hochgefahren", berichtet Hirt.
Überhaupt sind es die Milchpreise, die beiden Bauern zu schaffen machen. Derzeit kämpfen sie dafür, dass die Molkerei-Genossenschaft mehr als 30 Cent für den Liter zahlt. "Besonders niedrig war der Preis 2009. Damals zahlten die Abnehmer nur 22 Cent pro Liter", sagt Hirt, im vergangenen Jahr seien es dann 36 Cent pro Liter gewesen.TV-Serie Projekt Zukunft
Sorgen machen sich beide Landwirte darüber, welche Entwicklung der Milchpreis nach dem Wegfall der Quote in vier Monaten nehmen wird. Zu viel Milch könnte für die Betriebe bedeuten, dass der Marktpreis weiter sinkt. "Dann wird man sehen, wie gut wir auf den Wettbewerb vorbereitet sind. Es ist denkbar, dass auf vielen Höfen in einigen Jahren Finanzinvestoren das Sagen haben", fürchtet Hirt. "Dann geht es allein um die Rendite der landwirtschaftlichen Betriebe." Das wäre eine Entwicklung, die ihm Angst macht, "weil Verbraucher dann eines Tages wirklich der Werbung glauben werden, dass lila Kühe Milch geben".
Der Landwirt aus Saarburg-Kahren hat nach etlichen Diskussionen mit der Hochwald-Molkerei die Konsequenzen gezogen und sich von ihr getrennt. In Absprache mit seinem Sohn Frank, der den Betrieb einmal übernehmen will, ist er einer Milcherzeugergemeinschaft beigetreten. Davon verspricht sich Hirt bessere Milchpreise.
Wacht dagegen glaubt nicht, dass der Eintritt in eine Milcherzeugergemeinschaft der Königsweg ist, um den Milchpreis dauerhaft auf einem "akzeptablen", also kostendeckenden Niveau, zu stabilisieren. "Ich denke, dass sich die Kooperation mit der Molkerei-Genossenschaft weiterhin rechnet", sagt Wacht. Ob das am Ende so sein wird, entscheide sich letztlich auf dem Weltmarkt, der von der Genossenschaft bedient werde. Dazu will er weiter Getreide anbauen und vermarkten, aber hoffentlich zu besseren Preisen als 2014. Über die Zukunft des Hofes ist noch nicht endgültig entschieden. Aber er kann sich vorstellen, dass sein Sohn später den Betrieb übernimmt. Der arbeite nach einer abgeschlossenen landwirtschaftlichen Ausbildung auf dem Hof mit.Extra
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, im Handel und im Handwerk verläuft rasant. Kleine und mittelständische Betriebe haben es in der zunehmend globalisierten Welt immer schwerer, sich zu behaupten. Mehr denn je sind Mut und Innovation gefragt, um den Weiterbestand zu gewährleisten. Der TV stellt in den nächsten Tagen in loser Folge Betriebe vor, die sich dem Projekt Zukunft gestellt und neue, erfolgreiche Strategien entwickelt haben. Den Anfang hat am Montag das Weingut Spieles-Fuchs aus dem Moselort Leiwen gemacht. Heute stellen wir zwei Landwirte auf dem Saargau vor.Extra
Eine Fläche von rund 33 000 Hektar wird im Kreis Trier-Saarburg landwirtschaftlich genutzt. Bewirtschaftet wurde sie im Jahr 2010 von circa 1300 Landwirten. Die Betriebsgröße liegt im Schnitt bei 25 Hektar. Eine Zahl, die zunächst einmal verwirrt, die sich aber dadurch erklären lässt, dass in die Statistik Weinbaubetriebe, die in der Regel deutlich kleiner sind, in diese Rechnung miteinfließen. Die Anzahl der Betriebe mit Rinderhaltung sinkt zwar bundesweit, dafür nimmt aber die Zahl der Rinder pro Betrieb zu. Häufig spezialisieren sich diese Unternehmen auf diese Viehsorte, 50 Prozent halten ausschließlich Rinder. itz