Ihre letzte Schicht im Nordschacht naht

Das bevorstehende Ende des Bergbaus im Saarland bedeutet auch für mehrere Männer im Hochwald einen tiefen Einschnitt. Ihr neuer Arbeitsplatz unter Tage wird 400 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt sein. Der TV hat sich mit Bergleuten unterhalten, die bald umziehen müssen beziehungsweise es schon getan haben.

Züsch/Beuren. "Ich habe einen Großteil meines Lebens unter Tage verbracht und im Lärm gestanden und kann mir nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu machen." Das sagt Hatto Haag aus Züsch, der seit fast 30 Jahren in saarländischen Kohlegruben als Bergmann arbeitet. Gleiches gilt für Gereon Priess, der ebenfalls aus Züsch kommt und vor allem die Kameradschaft unter den Kumpeln als große Besonderheit seines Berufs herausstellt.

Stichtag 1. Juli 2012



Noch ist ihr Arbeitsplatz die bis zu 1750 Meter tief liegende Anlage "Nordschacht" des Bergwerks Saar nahe Lebach. Doch das wird sich bald ändern. Ab 1. Juli 2012 wird in der letzten verbliebenen Grube im Saarland keine Kohle mehr gefördert. Für die beiden 45-Jährigen bedeutet das: Bis sie in Vorruhestand gehen können, was bei Bergleuten normalerweise mit 50 Jahren möglich ist, müssen Haag und Priess wahrscheinlich "hoch nach Ibbenbüren".

In der kleinen Stadt nahe Osnabrück, die circa 400 Kilometer von Züsch entfernt liegt, betreibt die RAG Deutsche Steinkohle AG ein weiteres Bergwerk, in dem der Abbau des "schwarzen Golds" noch länger läuft.

Der genaue Zeitpunkt ihres Umzugs nach Ibbenbüren steht noch nicht fest. Wohl aber, dass es Haag und Priess wie die meisten ihrer Kumpel machen wollen, wenn der Tag X da ist. "Wir probieren es alleine und nehmen die Familien nicht mit. Die Zeit der Pendelei ist ja begrenzt."

Gleichwohl bezeichnen beide den Wechsel nach Ibbenbüren als "großen Einschnitt" in ihrem bisherigen Leben. "Ich war noch nie so lange von zu Hause weg. Außerdem kommt ja auch noch die finanzielle Komponente dazu, weil meine Frau dann eventuell nicht mehr arbeiten gehen kann", sagt Priess. Er hat drei Kinder - das Älteste ist 14, die Zwillinge feiern bald ihren dritten Geburtstag. Haag ist ebenfalls verheiratet und hat zwei Kinder, die 16 und 13 Jahre alt sind.

Zwar erhalten die Bergleute nach dem Umzug von ihrem Arbeitgeber eine Zeit lang finanzielle Unterstützung bei der Miete oder den Fahrtkosten. "Es wird aber natürlich schon viel verloren gehen", sagt Haag und meint damit neben dem Familienleben auch seine Aktivitäten in den Ortsvereinen - etwa beim Skiclub Dollberg. Auch Priess geht nicht davon aus, dass er nach dem Umzug noch länger sein Mandat im Züscher Gemeinderat behalten wird.

Einer, der Haag und Priess schon darüber berichten kann, was in Ibbenbüren auf sie zukommt, ist Herbert Dietz. Der 43-jährige Beurener "war im Frühjahr 2010 bei der ersten Tour dabei" und hat den Wechsel vom Bergwerk Saar an den neuen Arbeitsplatz in Nordrhein-Westfalen schon hinter sich. "Ich bin von den Kumpels dort oben sehr gut aufgenommen worden", sagt Dietz.

Er habe sich als Unverheirateter schon früh auf diesen Schritt vorbereitet, "weil daran ja eh nichts zu ändern war." Wichtig ist für ihn, "dass ich ja ein Ziel vor Augen und nur noch viereinhalb Jahre vor mir habe." Denn Dietz hat sich schon im Saarland ein Langzeitkonto mit circa 200 Schichten angesammelt.

Außerdem hat Dietz einen Rhythmus gefunden, der ihm längere Aufenthalte zu Hause ermöglicht. Er arbeitet in Ibbbenbüren zwei Wochen lang durch und malocht dann auch samstags und sonntags unter Tage. "Dafür habe ich dann eine Woche frei und kann heim zu meiner Lebensgefährtin nach Beuren fahren", sagt der 43-Jährige, der weiter Gemeinderatsmitglied ist, seine Vorstandsarbeit im Geselligkeitsverein und das Fußballspielen aber aufgeben musste.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort