Fastnacht Karnevalisten kämpfen um Nachwuchs

Wiltingen/Saarburg/Hermeskeil · Keine Sitzungen, kein Elferrat und keine Orden: Der Wiltinger Karnevalsverein stellt sich neu auf und verzichtet auf viele Elemente klassischer Fastnachtsfeiern. Auch in anderen Orten im Bereich Hochwald, Konz und Saarburg gibt es Probleme mit dem Nachwuchs.  

  Eine voller Saal und ein aufmerksam-fröhliches Publikum wie hier im Kurfürstlichen Schloss in Mainz sind für viele Karnevalsvereine in der Region mittlerweile ein Wunschtraum. Ein Grund dafür ist auch, dass die Sitzungsprogramme der Orte einem Vergleich mit den Fernsehübertragungen nicht standhalten.

Eine voller Saal und ein aufmerksam-fröhliches Publikum wie hier im Kurfürstlichen Schloss in Mainz sind für viele Karnevalsvereine in der Region mittlerweile ein Wunschtraum. Ein Grund dafür ist auch, dass die Sitzungsprogramme der Orte einem Vergleich mit den Fernsehübertragungen nicht standhalten.

Foto: picture alliance / dpa/Andreas Arnold

Der Karnevalsverein Reblaus Wiltingen hat jetzt 31 Jahre lang Sitzungen und Züge organisiert und viel Arbeit investiert, damit die Narren aus dem Saarort Spaß haben. Dieses Jahr hat der Verein das Angebot reduziert. Der Vorstand erklärt das in einem ausführlichen Schreiben an den Volksfreund: Der Zeitgeist habe sich verändert. Jugendliche wollten keine Büttenreden mehr, sondern Party. Karneval konkurriere mit vielen Veranstaltungen im ganzen Jahr, heißt es da. Die Konsequenz für die Wiltinger Fastnacht: Es wird keine klassischen Kappensitzungen mehr geben, sondern abgespeckte Veranstaltungen.  Der Verein verzichtet auf Elferrat, Sitzungspräsident oder Orden. Es gebe aber witzige Auftritte, Redner, Tänze sowie stimmungsgeladene Musik, heißt es.

Der erste Vorverkauf beim Weihnachtsmarkt am 23. Dezember ist gefloppt. „Wir müssen leider aufgrund null verkaufter Karten im Vorverkauf die erste Veranstaltung am 16. Februar absagen beziehungsweise verschieben“, gab die Vereinsvorsitzende Sylvia Pidancet Anfang Januar bekannt. Trotzdem sind weiterhin drei Veranstaltungen, jeweils mit Bands, geplant: am Samstag, 23. Februar, 19.33 Uhr, am Weiberdonnerstag, 28. Februar, 19.11 Uhr, sowie am Samstag, 2. März, 19.33 Uhr. Am Sonntag wurden beim zweiten Vorverkaufstermin auch endlich Karten verkauft. Es sind aber noch immer welche erhältlich.

Pidancet verweist darauf, wie viel Arbeit Karneval macht: Es seien nicht mehr genug engagierte Leute da, um sich für jede Session neue Gags, Tänze und andere Darbietungen einfallen zu lassen. Es fehle der Nachwuchs, vor allem für den Elferrat. Büttenredner oder Helfer seien schwer zu finden. „Die Leute wollen feiern, aber ergreifen keine Initiative mehr“, sagt sie. Nur die Garden hätten in Wiltingen noch Nachwuchs. Aber da heiße es oft: „Wir trainieren und stehen auf der Bühne, das reicht.“ An der Organisation wolle sich keiner beteiligen. Pidancets Fazit: „Ich bin der Meinung, dass der Karneval ausstirbt.“ Sie wolle 2020 noch das Jubiläum zum 33-jährigen Bestehen der Rebläuse organisieren. Danach sei nach 22 Jahren im Verein Schluss, sagt die 50-Jährige.

Situation Konz Die Kritik trifft in anderen Orten teilweise zu. Allerdings sieht es in den meisten Dörfern  rings um Konz besser aus. Die Vereine Naischnotz Nittel, CC Rot-Weiß Tawern, der KC O Mamo Pabo Wasserliesch oder der ECC Oberemmel laden zu zwei normalen Kappensitzungen, Kinderkappensitzungen und weiteren Veranstaltungen ein. Andere Vereine wie die Pellinger Krääscherten, der Könener Karnevalsverein Riet Rous, der Tälchenkarneval oder der Konzer Karneval- und Theaterclub (KCK) bieten ebenfalls Veranstaltungen an. Allein am 23. Februar sind rings um Konz sieben Kappensitzungen oder ähnliche Veranstaltungen geplant (Könen, Nittel, Oberemmel, Pellingen, Tawern, Wasserliesch, Wiltingen).

Oberemmel gilt als Karnevalshochburg. Das wurde kürzlich sogar bei Günther Jauchs Promi-Wer-wird-Millionär thematisiert (siehe Info). Nachwuchsprobleme gibt es laut dem Vereinsvorsitzenden des Emmeler Carnevalsclubs (ECC), Michael Pütz, aber auch dort – zum Beispiel in der Garde. Trotzdem sei der Verein sehr gut aufgestellt. Rückgrat des ECC sei der starke Elferrat. „Wir haben da mehr als 20 Leute im Alter zwischen 20 und 60 Jahren“, sagt er. Alle anderen Beteiligten seien motiviert. „Die kommen  von sich aus zu uns“, betont Pütz. Der Vorstand versuche, ihnen den Weg freizuräumen, dann hätten die Gruppen alle Freiheiten.

Stark verjüngt haben sich die Pellinger Krääscherten. Laut dem Vorsitzenden Jan Sokolowski liegt das Durchschnittsalter bei 25 Jahren. „Die große Nachfrage der Jugendlichen ist unseren vier Garden geschuldet, in denen schon ab dem frühen Grundschulalter mitgewirkt werden kann“, sagt er. „2014 wurde der Generationswechsel abgeschlossen.“


Situation in Saarburg
In der ehemaligen Verbandsgemeinde Saarburg scheinen sich die Probleme beim Karneval in Grenzen zu halten. Nur in Freudenburg und Serrig fallen die Sitzungen aus und das soll nicht so bleiben. Mich Parage, Vorsitzender des Freudenburger Karnevalsklub (FKK) sagt: „Wir haben die Sitzung abgesagt, weil wir in diesem Jahr keine Büttenredner haben.“ Die Redner hätten sich aus verschiedenen Gründen abgemeldet: So laufe es bei dem einen gesundheitlich gerade nicht gut, der andere habe private Probleme. Parage: „Doch für nächstes Jahr hoffe ich, dass wieder alle an Bord sind.“ Statt Kappensitzungen gibt es in Freudenburg deshalb Tanzveranstaltungen (Tanznachmittag mit Shanty-Chor eher für die älteren am 17. Februar, Tanzabend am 23. Februar). In Serrig fallen die Sitzungen für Erwachsene laut Franz Meier, Vorsitzender von Noun daje, aus, weil an der Turnhalle noch gebaut wird. Die Kinder- und Jugendsitzung am 17. Februar wurde hingegen auf das Hofgut Serrig verlegt.

Bei den großen Vereinen wie Hau-Ruck in Saarburg und Närrisches Saarschiff in Irsch sind genügend Aktive an Bord, heißt es. Dennoch räumt Rüdiger Schneider, Vorsitzender der Irscher Karnevalsgesellschaft ein: „Nachwuchstalente stehen bei den Büttenrednern nicht Schlange.“ Zur gegenseitigen Unterstützung fänden sich die Redner deshalb in Teams zusammen. Auch Ehemalige würden mitmachen.

Einen fundamentalen Wechsel gibt es in diesem Jahr beim Saarburger Umzug, der vom Verein Saarburger Fastnacht organisiert wird. Aus dem Nachtumzug wird ein Tagumzug, der am Samstag, 2. März, um 14.11 Uhr beginnt (der TV berichtete). Vorsitzende Cornelius Theiss hat dazu erklärt: „Mehr Fastnacht, weniger Ballermann, das ist die Zielsetzung für die Zukunft.“ Als Gründe für die Entscheidung gab Theiss an, dass zum einen die Dunkelheit zu Unfug verleiten würde und hatte dabei vor allem betrunkene Jugendliche im Blick. Zum andern sind die immer strengeren und aufwendigeren Sicherheitsauflagen am Abend laut Theiss ein Problem.

Situation im Hochwald Die Karnevalisten im Hochwald melden keine Sitzungsausfälle. In Kell am See gibt es vom 3. Februar bis zum 5. März neun Termine. Dennoch sagt Reinhard Lorenz vom Karnevalclubs Callida Kell: „Generell ist ein Aktivenschwund seit einigen Jahren zu erkennen.“ Die Tanzgarden stünden noch relativ gut da, „aber Büttenredner sind rar gesät“. Für politische Reden im ländlichen Raum sei das Publikum einfach nicht mehr da. Auch Gesangsgruppen fehlten. Zunehmend zurückgegangen sei auch die Bereitschaftschaft, im Hintergrund zu helfen, sagt Lorenz. „Während die junge Generation nur zögerlich ein Interesse am Verein entwickelt, baut die Alt-Herren Riege (Ü 50) langsam ab.“ Es fehle das tatkräftig anpackende „Mittelalter“ (25 bis 50-Jährige).

Beim KV Mannern in Mandern gibt es laut Julia Eisenring-Becker noch kein Nachwuchsproblem. Im Kinderkarneval seien zuletzt 101 Kinder und Jugendliche aktiv gewesen. An Veranstaltungen plane der Verein diesmal sogar eine zusätzliche „Reifesitzung“ für Senioren.

Probleme bereiteten immer häufiger Jugendliche, die schon stark alkoholisiert in die Halle kämen. „Dadurch wird es laut. Sie haben keinen Respekt mehr vor den Aktiven.“

Fehlende Aufmerksamkeit beim Publikum beklagt auch Jörg Hartig, Vorsitzender des Karnevalvereins Ruck-Zuck Hermeskeil: „Viele schauen sich im Fernsehen die Highlights des Mainzer oder Kölner Karnevals an und kommen dann mit der Vorstellung, das Gleiche geboten zu bekommen, zu einer regionalen Karnevalsveranstaltung.“ Das Ergebnis sei ernüchternd: „Dem Büttenredner wird keine Aufmerksamkeit geschenkt, es wird sich lautstark unterhalten.“ Auch deshalb sei es jedes Jahr schwierig, Aktive für die Bütt zu finden. Weil der Verein darauf aber nicht verzichten wolle, habe er schon vor Jahren ein zweite Veranstaltung etabliert. Die Gaudi Night biete stimmungsvollen Karneval mit Gesang und Showtanz, die Prunksitzung dagegen Traditionelles mit Büttenrede und Gardetanz.

Bei Letzterem sei Hermeskeil gut aufgestellt. Zurzeit machten 75 Mädchen und zwei Jungs in den Garden mit.

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