Kein Geld aus Europa für Flüchtlinge im Kreis

Konz/Trier/Berlin · Der Kreis Trier-Saarburg hat ein ambitioniertes Konzept entwickelt, um Flüchtlingen zu helfen. Dass bei der Betreuung der 802 Asylbewerber alles nach Plan läuft, ist aber fraglich. Das Bundesarbeitsministerium hat einen Förderantrag über 2,5 Millionen Euro abgelehnt.

 Warten auf die Arbeitserlaubnis: Fadwah Alsayed und Mohamad Bassam Bouni (von links) sitzen in ihrem Wohnzimmer in Konz . TV-Foto: Christian Kremer

Warten auf die Arbeitserlaubnis: Fadwah Alsayed und Mohamad Bassam Bouni (von links) sitzen in ihrem Wohnzimmer in Konz . TV-Foto: Christian Kremer

Foto: Christian Kremer

Mohamad Bassam Bouni und seine Frau Fadwah Alsayed sitzen in ihrem Wohnzimmer auf einer Couch. Das Möbelstück ist in die Jahre gekommen. Dieses und die anderen Einrichtungsgegenstände haben die beiden Syrer, die mit ihren drei Kindern in Konz leben, gebraucht gekauft. Obwohl die Familie nicht viel Geld hat und im Vergleich zu ihrem Dasein in Syrien auf bescheidenem Fuß lebt, sehen der ehemalige Gewürzhändler und seine Frau zufrieden aus. Sie sind froh, dass sie mit ihren drei Kindern vor der Gewalt in ihrem Heimatland fliehen konnten und eine dreijährige Aufenthaltsgenehmigung für das friedliche Deutschland haben.

Die Familie hat sich eingelebt, aber steht noch nicht auf eigenen Füßen. Wie die meisten der inzwischen 802 Flüchtlinge im Kreis würden die Syrer aber gerne arbeiten und den Deutschen nicht mehr zur Last fallen. Das will ihnen auch der Kreis Trier-Saarburg mit einem ambitionierten Programm zur Berufsintegration ermöglichen, das er im Februar vorgestellt hat (" Der Kreis macht Ernst bei der Flüchtlingshilfe "). Aber es gibt Probleme. Die Flüchtlingshilfe stockt, weil bei der Finanzierung des 5,5 Millionen Euro teuren Projekts 2,6 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds eingerechnet waren, die nicht ausgezahlt werden. Das Bundesarbeitsministerium hat einen entsprechenden Antrag abgelehnt.

Der Ablehnungsbescheid liegt dem Kreis seit dem 5. Juni vor. Zu den Gründen für die Ablehnung des 200-seitigen Förderantrags sagt ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums nichts. Die Gründe müsse man bei der Caritas erfragen, die als Projektträger den Antrag gestellt hat, heißt es auf TV-Anfrage.

Caritasdirektor Bernd Kettern hält sich aber auf TV-Anfrage bedeckt. Er erklärt, dass die Caritas mehr Eigenmittel einbringen werde. Zu Details wolle er wegen noch laufender Gespräche mit der Kreisverwaltung nichts sagen.
Thomas Müller, Pressesprecher der Kreisverwaltung, nennt schließlich den Hauptgrund für die Ablehnung: Es gibt zu wenig Geld für zu viele Förderanträge. 391 ESF-Anträge seien laut dem Ablehnungsschreiben eingegangen, sagt Müller. Der Caritas-Antrag sei in der Auswahl gescheitert. Zudem sehe das Ministerium ein Defizit bei der Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit.

"Aus unserer Sicht wurden in dem Antrag keine Fehler gemacht", sagt Kreis-Sozialdezernent Joachim Christmann. "Wir können die Gründe für die Ablehnung nicht nachvollziehen."

Christmann verspricht, dass bei der Unterbringung und der sozialen Betreuung der Asylbewerber sowie bei der Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer alles wie geplant läuft. Demnach werden Container in Konz, Schweich und Saarburg aufgestellt. Dort werden zudem Sozialarbeiter eingesetzt. Zwei Ehrenamtskoordinatoren und die ersten Sozialarbeiter haben schon ihre Arbeit aufgenommen.

Zur Debatte steht aber der berufsbezogene Teil der Flüchtlingshilfe. Mit dem ESF-Fördergeld sollten zum Beispiel Jobscouts und Integrationshelfer bezahlt werden. Der Kreis arbeitet laut Christmann daran, andere Geldquellen zur Finanzierung zu erschließen - zum Beispiel bei Stiftungen. Der Kreistag werde nach der Sommerpause über ein neues Hilfspaket entscheiden.

Meinung

Nicht an der falschen Stelle sparen

Eines sollte jedem klar sein: Ein Flüchtling, der arbeitet und Steuern zahlt, kostet die Deutschen nichts. Seine Produktivität bringt dem Staat sogar Steuern ein. Ein Asylbewerber, der von staatlicher Hilfe abhängig ist, wird genauso teuer für den Staat wie ein Deutscher, der Sozialhilfe erhält. Deswegen muss es oberstes Ziel sein, Flüchtlinge so früh wie möglich in Lohn und Arbeit zu bringen. Das darf dann auch ruhig etwas kosten, weil der Staat später sparen kann. Das müssen alle Beteiligten kapieren. Das Gejammer der Kommunen und die Verantwortungsherumschieberei zwischen Bund und Ländern helfen nicht weiter. Sie dürfen nicht dazu führen, dass im Grunde sinnvolle Konzepte wie das des Kreises Trier-Saarburg scheitern. Die Verantwortlichen bei Bund, Land, Kreis und Caritas sind gefragt, möglichst schnell eine Lösung zu finden. Denn einige Flüchtlinge sind schon länger da und wollen endlich arbeiten.
c.kremer@volksfreund.de
Extra Flüchtlingsfamilie in Konz

Mohamad Bassam Bouni, seine Frau Fadwah Alsayed sowie seine drei Kinder Basmah (15), Mufleh (13) und Adam (7) sind 2012 aus Syrien über den Libanon und Ägypten geflohen. Im Herbst 2014 sind sie über das Mittelmeer nach Europa gekommen, wo sie schließlich in Konz-Niedermennig blieben ("Haarscharf dem Tod entronnen", TV vom 3. März). Nachdem sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen hat, musste die fünfköpfige Familie ihre Wohnung im Konzer Tälchen für andere Asylbewerber räumen. Ein Nachbar vermittelte der Familie eine neue Bleibe in der Konzer Innenstadt. Und die Integration läuft: Mufleh und Basmah gehen zum Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier, Adam zur St.-Nikolaus-Grundschule in Karthaus. "Die lernen viel schneller Deutsch als ich", sagt Bouni im Gespräch mit dem TV. Mufleh spielt schon seit mehreren Monaten Fußball in der Jugend des SV Krettnach. Seine Frau Fadwah glänzt bei vielen Anlässen mit ihren Kochkünsten. Kürzlich hat sie 19 unterschiedliche arabische Gerichte für eine Gesellschaft in Niedermennig vorbereitet.
Bouni selbst sieht einige Probleme, mit denen sich die Flüchtlinge herumschlagen müssen. Kompliziert sei der Papierkram, die zahlreichen Formulare der Behörden - vor allem, wenn es bei den Deutschkenntnissen hakt. Ohne Hilfe bekomme das kein Flüchtling hin, sagt Bouni. Sprachprobleme wirken sich in allen Bereichen aus: Besuche beim Arzt sind eine Herausforderung. Der Syrer bemängelt auch, dass es nahezu unmöglich ist, ohne Hilfe von Freunden eine Wohnung zu finden. Und obwohl er seit 28 Jahren Auto fährt, war sein Führerschein in Deutschland nur sechs Monate gültig. Jetzt müsste er eine neue Prüfung machen - natürlich auf Deutsch. Das Hauptproblem macht er bei der Arbeitssuche aus. Erst nach 15 Monaten und einem Integrationskurs darf er einen Job annehmen. cmk

Der Kreis macht Ernst bei der Flüchtlingshilfe

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