Kein Platz für Vorurteile

Auf Interesse und positive Resonanz bei einem Teil der Ockfener Bevölkerung ist der Informationsabend der Lebenshilfe, Kreisvereinigung Trier-Saarburg, am Mittwoch im Bürgerhaus gestoßen. Ausführlich und sehr behutsam informierten Vertreter der Lebenshilfe sowie der Ortsbürgermeister über den Plan der Lebenshilfe, geistig behinderte Menschen in die ehemalige Abtei St. Martin einzumieten.

 In die Abtei St. Martin werden geistig behinderte Menschen der Lebenshilfe einziehen. TV-Foto: Hermann Pütz

In die Abtei St. Martin werden geistig behinderte Menschen der Lebenshilfe einziehen. TV-Foto: Hermann Pütz

Ockfen. Die Abtei St. Martin im Ortskern von Ockfen wird aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt. Seit zehn Jahren steht das Gebäude leer und blieb bis heute ungenutzt. Als Außengutshof vom Kloster St. Martin in Trier errichtet, durchlebte das Anwesen eine wechselvolle Geschichte, ging in Privatbesitz über, war Weingut und zuletzt Hotel-Restaurant.

Eine 14- oder 15-köpfige Eigentümergemeinschaft hat bis dato die Hand auf den 21 mit kleinen Küchen und Bädern ausgestatteten Appartements, die zwischen 27 und 38 Quadratmetern groß sind.

"Seit langer Zeit schon versuchen die Eigentümer, das Anwesen zu verkaufen", berichtet Ortsbürgermeister Leo Steinmetz dem TV. Das scheint nun zu klappen.

Die Kreisvereinigung der Lebenshilfe bemüht sich derzeit darum, das Anwesen plus nebenstehenden Schuppen, der einem Ockfener gehöre, zu kaufen, erläutert Geschäftsführer Alfred Gerardy.

Zuerst die Bürger informieren



Noch sei kein Vertrag unterzeichnet, betont Manfred Wischnewski, Vorsitzender der Lebenshilfe. Zunächst habe es am 11. Juni ein Gespräch zwischen ihm, Ortsbürgermeister Leo Steinmetz sowie Leo Lauer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Saarburg, gegeben. In der vergangenen Woche habe Steinmetz das Projekt in der Gemeinderatssitzung vorgestellt (TV vom 15. Juli).

"Als nächsten Schritt wollten wir den Ockfenern erläutern, was aus diesem markanten Haus wird", leitete Wischnewski bei einem Info-Abend am Mittwoch im Bügerhaus ein. Rund 50 Interessierte waren zu dem Termin erschienen.

Ausführlich und sehr behutsam ging der Vorsitzende auf die Einrichtung, die Arbeit mit behinderten Menschen und das Vorhaben ein. Eine aktuelle Bedarfs-Analyse offenbare, dass in den kommenden fünf Jahren 120 weitere Plätze für geistig behinderte Menschen benötigt werden.

"Das liegt daran, dass derzeit noch 60 Prozent dieser Personen zu Hause, in ihrer Ursprungs-Familie leben. Es ist absehbar, dass deren Eltern und auch die Betreuer in Kürze zu alt sein werden für die Pflege."

Eine Lösung scheint sich mit dem Projekt in Ockfen abzuzeichnen. "Das wird kein Wohnheim, in dem die Bewohner rund um die Uhr betreut werden", betonte Wischnewski. Vielmehr würden dort geistig behinderte Erwachsene einziehen, die die Voraussetzungen mitbringen, gewisse Anforderungen des täglichen Lebens selbstständig zu bewältigen.

"Was sie nicht schaffen, wird ihnen durch entsprechende Betreuung abgenommen. Jeder Bewohner erhält einen individuellen Hilfeplan." Die in frage kommenden Personen seien nicht psychisch krank, nicht verhaltensauffällig, nicht pflegebedürftig und säßen nicht im Rollstuhl, beschrieb Bernhard Hoellen, pädagogischer Leiter.

Geschäftsführer Gerardy betonte, dass die Lebenshilfe als konservativ ausgerichtete Einrichtung Wert auf einen Werte-Kodex lege, der auch für die behinderten Menschen gelte.

"Insofern wird es auch für dieses Haus und seine Bewohner Regeln geben." Gleichwohl wolle niemand die Hand dafür ins Feuer legen, dass nicht auch mal jemand aus der Rolle falle. "Das kann bei allen anderen Menschen im Ort auch passieren."

Die Besucher des Info-Abends reagierten positiv. "Jedes Dorf hat seine behinderten Mitbewohner, sie gehören zur Gemeinschaft dazu. Mir ist eine solche Gruppe lieber als ein dubioser Investor", sagte der Ockfener Winfried Merten. Die Bedenken einer Dame, die meinte, die schlechte Verkehrsanbindung und fehlende Geschäfte im Ort schränkten die neuen Mitbürger zu stark ein, zerstreuten Wischnewski und Gerardy unisono. "Darüber haben wir nachgedacht", meinte Wischnewski. "Das lässt sich aber alles lösen - etwa durch organisierte Fahrten zu den Geschäften."

Meinung

Von Susanne Rendenbach

Auftakt mit viel Feingefühl

Dieser Info-Abend im Ockfener Bürgerhaus verdient ein dickes Lob! Die gleichermaßen offene wie gründliche und sehr sensible Vorstellung des geplanten Projektes ist die eine Seite. Ausgesprochen positiv fällt zudem die generelle Vorgehensweise auf. Nicht etwa, dass Gemeinderat oder die Bevölkerung zu der Planung ihre Zustimmung geben müssten. Und dennoch setzen sowohl die Verantwortlichen der Einrichtung als auch der Ortsbürgermeister auf Offenheit und Transparenz von Anfang an. Wo Fakten und Informationen rechtzeitig gestreut werden, blüht das Feld der Gerüchte und Spekulationen im Idealfall gar nicht erst auf. Das ist besonders wichtig bei einem Thema, das prädestiniert dafür ist, durch Unsicherheiten und Unwissenheit Vorurteile, Ängste und Abneigungen zu schüren. Dass das unbegründet ist, haben die Fachleute überzeugend geschildert. Und die Ockfener haben sich von ihrer besten Seite präsentiert. So kann es weitergehen! s.rendenbach@volksfreund.de

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