Keller Jäger schießen zurück

"Mehr Pulverdampf und Blei ist keine Lösung des Problems". Mit dieser Aussage wehren sich zwei Jagdpächter im Keller Revier gegen noch höhere Abschusszahlen beim Rotwild. Sie reagieren damit auf Aussagen des Forstamts Saarburg, das die Überpopulation dieser Tiere für die zunehmenden Schälschäden in den Wäldern der Region verantwortlich macht.

Kell am See/Saarburg. (ax)"Wenn Wild den Wald auffrisst". So lautete vor einiger Zeit im TV die Schlagzeile, als es um das Problem der immer größer werdenden Schäl- und Verbissschäden an den Bäumen im gesamten Hochwald ging. Weil dieses Holz nur minderwertige Qualität hat, bedeutet das für die Waldbesitzer in der Region - dazu gehören auch die Kommunen - zum Teil beträchtliche Einnahmeeinbußen beim Verkauf.

Der Saarburger Forstamtsleiter Helmut Lieser sprach im TV-Artikel von schätzungsweise acht bis zwölf Stück Rotwild, die sich derzeit auf 100 Hektar Fläche verteilen. Laut Mainzer Forstministerium sieht eine Landesverordnung vor, dass im Bereich Osburg-Saar die Wilddichte 1,9 Stück auf 100 Hektar nicht überschreiten sollte.

Exemplarisch für die flächendeckende Überpopulation im Hochwaldraum führte Lieser die Situation im Keller Gemeindewald an, wo man schon Rudel mit 85 Tieren gesichtet habe.

Raimund Krawinkel und Klaus Homann, die im Revier Kell III die Jagd gepachtet haben, sehen sich durch diese Aussagen zu Unrecht angegriffen.

"Wir haben uns bemüht, den vorgegebenen Abschuss, den wir aber für überzogen halten, fast zu erreichen. Dabei haben wir jedoch festgestellt, dass die Dezimierung des Rotwilds gravierend ist", sagt der Krefelder Unternehmer Krawinkel. Sie widersprechen damit der These der Rotwild-Überpopulation und bezeichnen die Schätzungen Liesers über die Wilddichte als "Fama" (lateinisch: Gerücht). Dass die Tiere in großen Rudeln auftreten, sei zwar richtig. "Das ist aber eine natürliche Überlebensstrategie. Rotwild lebt in Sozialverbänden", sagt der Stuttgarter Hochschulprofessor Homann.

Forderungen nach noch höheren Abschusszahlen lehnen beide ab. Krawinkel rechnet vor, dass das von ihm gepachtete Revier 450 Hektar Waldfläche habe. Wenn er das Mittel von Liesers Schätzung nehme und von zehn Stück Rotwild ausgehe, seien das 45 Tiere. Laut Abschussplan müsse er aber 40 Stück erlegen. Krawinkel: "Das heißt, dass das Revier Kell III rotwildfrei geschossen werden soll."

Homann stimmt dem zu: "Komplexe Probleme kann man nicht einseitig durch mehr Pulverdampf und Blei lösen." Aus Sicht der Jagdpächter ist es beispielsweise falsch, dass das Land vor einigen Jahren das Anlegen von Wildäckern in den Wäldern verboten hat. Hinzu komme, dass große Grünflächen, auf denen das Wild früher geäst hat, nun für den Maisanbau für Biogasanlagen genutzt werden. Auch die zunehmende touristische Nutzung des Waldes ist den Jagdpächtern ein Dorn im Auge. So kreuze in Kell der Saar-Hunsrück-Steig (SHS) einen Wildwechsel. Die durch die Wanderer beunruhigten Tiere würden sich deshalb in die Dickungen verdrücken und dort die Schäl- und Verbissschäden anrichten.

Nur beim letzten Punkt kann Lieser die Argumentation der Jagdpächter nachvollziehen. "Wir brauchen mehr Ruhe im Wald durch die Kanalisierung der Wanderer", sagt Lieser (siehe Extra). Wieder Wildäcker im Wald zuzulassen, ist aus Liesers Sicht hingegen völlig falsch. "Die sind so schmackhaft, dass das Wild dort massiv auftreten würde. Es ist aber so, dass sich das Wild tagsüber nicht raus traut und rundherum in den Wäldern stehen bleibt. Es muss jedoch alle drei Stunden fressen. Deshalb würden sich die Tiere in dieser Zeit in den Wäldern durchschälen, dass es nur so kracht", sagt Lieser.

Der Forstamtsleiter bleibt bei seinem Standpunkt, "dass wir hier über ein Vielfaches an Wild reden, das erlaubt ist. Wir müssen die Wilddichte anpassen. Sonst hat der Wald verloren." EXTRA

Weniger Wanderwege: Zur Kritik der Jagdpächter, dass zu viele Wanderer das Wild zu stark beunruhigen, sagt der Keller Verbandsgemeindebürgermeister Werner Angsten, der zugleich Vorsitzender des Vereins "Hochwald Ferienland" ist: "In diesem Bereich ist schon viel passiert". Man habe in der Vergangenheit die Zahl der ausgewiesenen Wanderwege um 50 Prozent reduziert und sich auf die Pfade konzentriert, "die bei Einheimischen und Urlaubern eine hohe Akzeptanz haben." Den Verlauf des SHS habe man aber auch mit den Jagdpächtern abgestimmt. (ax)

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