Keller Seniorenzentrum zeigt die bunten Seiten des Pflegealltags

Kell am See · Ältere Menschen pflegen und betreuen - das bedeutet auch viele schöne Momente. Darauf will das Seniorenzentrum Kell heute am "Tag der älteren Generation" aufmerksam machen.

 Mit Hilfe eines bunten Tuchs, das sie auf und ab bewegen, trainieren Bewohner des Seniorenzentrums in Kell ihre motorischen Fähigkeiten. TV-Foto: Christa Weber

Mit Hilfe eines bunten Tuchs, das sie auf und ab bewegen, trainieren Bewohner des Seniorenzentrums in Kell ihre motorischen Fähigkeiten. TV-Foto: Christa Weber

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Kell am See Wie auf Wellen tanzen die Bälle und Luftballons über das bunte Tuch, das die Gruppe im Keller Seniorenzentrum zwischen sich aufgespannt hat. 13 Bewohner bewegen es auf und ab und singen das alte Volkslied "Wenn die bunten Fahnen wehen". Angespornt werden sie von den Betreuerinnen Irene Esch und Elisabeth Wollscheid-Marx.
In einem der Aufenthaltsräume sitzen Bewohner um einen Tisch versammelt. Ihre Betreuerin hat Sieb und Nudelholz mitgebracht und fragt, welche Küchengeräte mit dem Buchstaben "T" beginnen. "Topf", sagt eine ältere Dame und lächelt. "Das ist unsere Demenzgruppe", erklärt Sigrun Bergtold, die Leiterin des vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betriebenen Seniorenzentrums. Die beiden Angebote seien nur zwei Beispiele dafür, wie versucht werde, den Alltag der Bewohner "so lebenswert wie möglich" zu gestalten.
Auf solche "positiven Seiten" des Pflegealltags will das Team des Keller Seniorenzentrums am heutigen "Tag der älteren Generation" die Aufmerksamkeit lenken. Der internationale Aktionstag wird jährlich am ersten Mittwoch im April gefeiert. Er soll auf den Wert älterer Menschen für die Gesellschaft hinweisen. "Über Pflege wird oft negativ berichtet. Wir wollen zeigen, dass es auch viel Positives gibt", sagt Bergtold. Das bedeute auch, die guten Erfahrungen der Mitarbeiter mehr in den Vordergrund zu stellen.
Kristina Backes (30) aus Gusenburg ist die Dienstälteste des Pflegepersonals. Sie ist seit 2007 dabei. Inzwischen hat sie sich zur Wund-expertin weiterbilden lassen und ist für die Praxisanleitung der Pflegeschüler zuständig. "Wenn man in dem Beruf länger bleiben möchte, gibt es sehr viele Möglichkeiten, sich zu spezialisieren", lobt Backes. An der Altenpflege schätze sie besonders, "dass es persönlicher zugeht als im Krankenhaus". Sie begleite die Menschen über Jahre hinweg, lerne sie kennen und bekomme "so viel Dank und Wertschätzung" zurück.
Sicher gebe es auch "schwierige Momente", die will Backes gar nicht ausblenden. "Man muss sich die Zeit gut einteilen". An negativen Meinungen höre sie oft, dass sich viele die körperliche Arbeit in der Pflege nicht zutrauten. "Mittlerweile gibt es aber viele Hilfsmittel." Entgegentreten wolle sie dem Vorurteil, dass "alte Leute hierher abgeschoben werden. Das ist absolut nicht so, davon kann sich jeder überzeugen".
Belegt sind beide Pflegestationen in Kell mit maximal 34 Bewohnern in je zwei Wohngruppen. Um sie zu beschäftigen, kommen täglich vor- und nachmittags zusätzliche Betreuungskräfte ins Haus (siehe Info). Sie arbeiten mit dem Konzept MAKS. Das steht für motorische, alltagspraktische, kognitive und spirituelle Therapie. Dazu zählen Angebote wie Gymnastik, kochen, backen, Salat aus dem hauseigenen Garten zubereiten, rätseln, Bingo spielen und über Themen wie Freundschaft, Liebe und Trauer sprechen. Oft wird auch gemeinsam gemalt oder gebastelt. Was dabei an Bildern entsteht, ziert die Flure und Aufenthaltsräume.
Irene Esch (60) und Elisabeth Wollscheid-Marx (57) haben mit dem Job einen beruflichen Neuanfang gewagt - und sind darüber glücklich. "Ich wollte eine Aufgabe, die sinnvoll ist", sagt Wollscheid-Marx. Sie habe viel Zeit, sich "intensiv um die Menschen zu kümmern". Wichtig sei dabei, dass man sich "ruhig und konzentriert auf jeden Einzelnen einlässt". Dann könne man auch für sich selbst "viel Positives mitnehmen". Irene Esch ist in Kell geboren. Die gelernte Arzthelferin arbeitet gern mit Demenzpatienten. "Wenn jemand ihren Dialekt spricht, gibt ihnen das gleich ein gutes Gefühl." In ihren Gruppen erlebe sie "viele schöne Momente. Wenn man den älteren Menschen mit all' seinen Defiziten annimmt und schätzt, macht es unheimlich viel Spaß."
Mit den Pflegekräften, loben beide, gebe es ein "gutes Miteinander". Sie seien "immer ansprechbar" und setzten sich auch mal dazu, wenn in der Gruppe Ostereier gefärbt oder Rätsel gelöst würden. Sigrun Bergtold ist "stolz" auf ihr Team, das mit "so viel Empathie dabei ist". Allerdings werde es auch in einem kleineren Haus wie in Kell zunehmend schwieriger, Nachwuchs für den Beruf zu begeistern. "Auch dafür müssen wir die positiven Aspekte häufiger zeigen."Extra: BETREUUNG FÜR 60 BEWOHNER


Das Seniorenzentrum des Deutschen Roten Kreuzes in Kell ist 2007 eröffnet worden und feiert im Mai sein zehnjähriges Bestehen. Die Einrichtung ist für 65 Bewohner ausgelegt, dazu kommen drei Plätze für Kurzzeitpflege. Unter den 57 Mitarbeitern gibt es in einigen Abteilungen Teilzeitkräfte. Dazu zählen beispielsweise die insgesamt neun sozialen Betreuungskräfte, die sich als Entlastung für das Pflegepersonal vor- und nachmittags zwei Stunden lang um die Bewohner kümmern. Diese Aufgabe ist auch für berufliche Quereinsteiger geeignet, aber es ist eine spezielle Qualifizierung notwendig. Der Kurs umfasst 280 Stunden inklusive Praktikum und wird von verschiedenen Trägern wie dem DRK oder dem Malteser Hilfsdienst angeboten.

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