Lange schon ausgequalmt

KORDEL. Mehr als 100 Jahre war der "alte Schornstein" in der Kimmlinger Straße ein Wahrzeichen der Kylltalgemeinde und mit seinen 18 Metern das nach der Pfarrkirche St. Amandus zweithöchste Gebäude. Er wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung abgerissen.

Als Relikt einer vergangenen Epoche, umweht von einem Flair aus Nostalgie und Erinnerungen, hatten die Kordeler, ganz besonders die "Kimabäscher, hiaren aalen Schuaschten" ins Herz geschlossen. Im Jahre 1900 wurde er erbaut. "Das ist eindeutig", sagt Werner Lieser, derzeitiger und letzter Besitzer. Weniger eindeutig indes sei, wie der alte Schornstein seine Jugendjahre verbracht hat, ob mit Arbeit oder schon bald als Frührentner. Der Schornstein war im Dampfsägewerk von Liesers Urgroßvater Dominik zusammen mit einer Dampfmaschine im Einsatz. Das geht aus Dominik Liesers Antrag vom 19. Oktober 1884 auf "Errichtung einer Holzschneidemühle mit Dampfbetrieb" hervor. Während indes die Genehmigungen zum Bau eines "Lokomobildampfkessels" (Dampfmaschine) mit Wasserversorgung vorliegen, gibt es nichts dergleichen, was den Schornstein betrifft. Vom "Lokomobildampfkessel" ist nichts übrig geblieben. Niemand weiß mehr darüber zu berichten. Ebenfalls unbekannt ist, wie und wie lange der alte Schornstein aktiv war. Derweil wird berichtet, dass Dominik Liesers Sohn Christoph, nachdem er das Dampfsägewerk vom Vater übernommen hatte, einen Elektromotor installierte. Der alte Schornstein wäre somit schon früh in den Ruhestand gegangen. Den Zweiten Weltkrieg jedenfalls überstand er unbeschadet. Werner Liesers Mutter Johanna erinnert sich: "Ich hatte mir große Sorgen gemacht, die Amerikaner könnten den Schornstein für kriegswichtig halten und Kordel bombardieren." Doch der alte Schornstein ist noch einmal davongekommen. Wieder zum Qualmen brachte ihn Werner Lieser im Jahre 1973. Als Späneverbrenner mit Entstauberanlage und Zugbegrenzer erlebte er eine eindrucksvolle berufliche Rehabilitation - bis der Schreinereibetrieb im Jahre 1986 abbrannte und verlagert wurde. Der Schornstein war nicht betroffen, hatte aber keine Funktion mehr. Noch einen ganz großen, aber auch seinen allerletzten Auftritt erlebte er im Jahre 1995. Werner Lieser berichtet: "Es war ein wahres Feuerwerk. Damals habe ich die Resthölzer der Schreinerei verbrannt und so richtig Zunder gegeben. Aus dem Kamin stoben die Funken gut zehn Meter hoch in den Himmel. Es war ein imposantes Bild und ein würdiger Abgesang für den alten Schornstein". Gespräche mit dem Verband Historischer Bauwerke, der Denkmalpflege und anderen, um den Schornstein zu erhalten, blieben ergebnislos. Jetzt musste er einem Wohnhaus weichen.

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