Lebendige Kaiserzeit im Museum

Konz-Roscheid · Pickelhauben glänzen in der Sonne, bunte Uniformen leuchten, und überall herrscht handwerkliches Treiben: Im Freilichtmuseum Roscheider Hof ließen rund 30 Darsteller die deutsche Kaiserzeit wiederauferstehen. Die Jahre zwischen 1895 und 1911 standen im Mittelpunkt.

Konz-Roscheid. Ein lauter Knall ertönt, Rauch steigt auf. Männer in blauen Uniformen und mit Pickelhauben auf dem Kopf brüllen sich Anweisungen zu. Wenn vor 100 Jahren Krieg simuliert wurde, dann so. Die Szene spielt im deutschen Kaiserreich, irgendwann zwischen 1895 und 1911. Eine kurze Friedenszeit, die Soldaten absolvieren ihre Manöver auf dem Land. Die höheren Dienstgrade werden bisweilen in Privathäusern einquartiert, die niedrigeren Ränge schlafen in kleinen Zelten.
Für zwei Tage verwandelte sich das Freilichtmuseum Roscheider Hof zu einem Dorf mitten in der Kaiserzeit. Die 13 alten Hunsrückhäuser im hinteren Teil des Museumsgeländes stammen ebenfalls aus dieser Zeit, sie bilden die passende Kulisse für eine detailgetreue Simulation des Dorf- und Militärlebens zur Jahrhundertwende.
Die preußischen Soldaten, das sind die Mitglieder einer historischen Darstellungsgruppe aus Saarlouis. "Wir versuchen, das Soldatenleben so originalgetreu wie möglich darzustellen, und nutzen alle Quellen, die wir finden können", sagt Daniel Becker. Seine blaue Uniform entspricht genau den damaligen Vorgaben, von den Farben bis hin zum Abstand der Knöpfe. Er stellt einen einfachen Fähnrich dar, einen Offiziersanwärter. "Viele Darstellungsgruppen interessieren nur die höheren Dienstgerade, aber bei uns gibt es keine Offiziere, sondern nur einfache Soldaten", sagt er. Etwa ein Dutzend von ihnen ist in Konz dabei, sie kommen von überall her. Wenn sie keine Manöver üben, marschieren sie über das Museumsgelände oder treten gemeinsam an und präsentieren ihre Gewehre.
Authentische Geschichte



Neben ihnen gibt es noch eine andere Soldatengruppe, die "Alte Armee" mit ihren feldgrauen Uniformen. Zwischen 1907 und 1914 wurden in der kaiserlichen Armee beide Uniformen getragen, später gab es nur noch die Feldgrauen. Am Rande des Lagers steht Klaus Rautenberg, er stellt einen Landsturmmann dar, einen mittleren Dienstgrad. Zusammen mit seinen Kollegen erklärt er den Besuchern, wie das militärische Gerät funktioniert, das die Gruppe mitgebracht hat - ein Maschinengewehr aus dem Ersten Weltkrieg zum Beispiel, auch wenn dieses nicht ganz in die dargestellte Zeit passt.
Immer wieder tönen metallisch klingende Schläge über das Gelände. Sie kommen aus der alten Schmiede, ein paar Meter weiter. Drinnen steht Dandy Kuschel aus Trier am Feuer und schmiedet Heringe für die Zelte. In zwei Stunden schafft er etwa 50 von ihnen, die Besucher gucken zu und stellen Fragen. Der Ingenieur ist der Organisator der Geschichtssimulation; es ist bereits die vierte ihrer Art im Konzer Freilichtmuseum. Nachdem in den Jahren 2008 und 2009 der Einmarsch der Franzosen im ausgehenden 18. Jahrhundert dargestellt wurde, stand im vergangenen Jahr das Dorfleben um 1760 im Mittelpunkt. Und nun die Kaiserzeit. "Sie passt am besten zu den Bauernhäusern, die hier stehen", sagt Kuschel. Da die Einrichtung in den Häusern durchweg funktionstüchtig ist, können die insgesamt etwa 28 Darsteller allerlei historisches Handwerk demonstrieren - so wie die Schmiede, die Kuschel selbst bedient. "Wir wollen die Geschichte wirklich authentisch nacherzählen", sagt er. Von Ritterspielen auf Burgen hält er deshalb nicht besonders viel, sie seien zu weit entfernt von der Realität, findet er. Die knapp 30 Darsteller leben und arbeiten zwei Tage lang auf dem Museumsgelände - sie schlafen auch in Zelten oder in den alten Hütten.
In der alten Schule am Dorfeingang steht Silke Diwo aus dem saarländischen Mettlach an der Tafel. Sie ist die Lehrerin der Dorfschule - und eine strenge dazu. An jedem Tag erklärt sie ein paar Dutzend Kindern, wie sich die Schüler vor 100 Jahren hinzusetzen hatten, nämlich gerade, mit den Händen auf dem Tisch. Und dann bringt sie ihnen die Kurrentschrift bei, die zu dieser Zeit gelehrt wurde. "Viele Erwachsene erzählen dann auch von ihren Kindheitserinnerungen oder wollen den alten Klassenraum einfach nur auf sich wirken lassen."
"Die historische Simulation ist beeindruckend. Es gibt kleine alte Geschäfte, und überall zeigen Menschen das alte Handwerk. Vor allem aber strahlt das Dorf eine friedliche Gemütlichkeit aus." "Es ist toll, man bekommt einen Einblick in alle Bereiche des damaligen Lebens. Vor allem die Präsentationen des Militärs sind interessant, man kann sich gut vorstellen, wie das damals war." "Das ist Geschichte zum Anfassen. Wir waren schön öfters hier, als sie andere Zeiten dargestellt haben. Vor allem die Soldaten und den Schmied haben wir uns ausführlich bei der Arbeit angeschaut." kbb

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