Kultur Es ist nicht leicht, an Gott zu glauben

Kanzem · Husch Josten liest im Weingut Cantzheim aus ihrem neuen Roman „Land sehen“ zum Thema Religion.

 Husch Josten liest in der Orangerie des Weingutes Cantzheim in Kanzem aus ihrem Buch „Land sehen“.

Husch Josten liest in der Orangerie des Weingutes Cantzheim in Kanzem aus ihrem Buch „Land sehen“.

Foto: Dirk Tenbrock

Eine mystische Atmosphäre herrscht bei Dunkelheit in der komplett verglasten Orangerie des Wein- und Gästehauses Cantzheim in Kanzem an der Saar. Genau der richtige Rahmen für eine Autorenlesung der besonderen Art: Die Konzer Buchhandlung Kolibri hat am Mittwochabend die Autorin Husch Josten aus Köln geladen, um aus ihrem neuen Roman „Land sehen“ zu lesen.

Ludwig Honnefelder moderiert und und kommentiert die Lesung durchaus kritisch. Er ist emeritierter Professor der Philosophie an der Universität Bonn. Auch der Ich-Erzähler des Romans, Horand Roth, ist Professor an der Uni Bonn. Das entbehrt natürlich nicht einer gewissen Pikanterie. Roth ist ein Kopfmensch, ein analytischer Wissenschaftler, der aber auch selbst Ambitionen hat, zu schreiben. Dieser trifft seinen verschollen geglaubten Patenonkel Georg wieder, einen lebenshungrigen Mann, der nie etwas ausgelassen hat.

Zu Atheist Horands Erstaunen erklärt Georg sein Verschwinden mit dem Beitritt zu den Pius-Brüdern, einem erzkonservativen, katholischen Orden, der die Errungenschaften des Zweiten vatikanischen Konzils strikt ablehnt. Dazu gehören beispielsweise die Gleichstellung von Mann und Frau, die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften oder die Lesung der heiligen Messe in der jeweiligen Landessprache und nicht auf Lateinisch.

In der Auseinandersetzung dieser zwei Männer, die sich eigentlich in inniger Liebe verbunden sind, über den Glauben beziehungsweise den Nicht-Glauben bezieht Jostens Roman sein Spannungsfeld. Am Ende, soviel sei verraten, lernen beide dazu und verändern etwas. Dazwischen liegt eine anrührende (Familien-)Geschichte mit überraschenden Wendungen, eigentlich nüchtern und klar geschrieben, aber mit höchst poetischem Duktus. Josten liest im Halbdunkel, nur beleuchtet von einer kleinen Lampe, einige Passagen aus dem Buch, dabei schaut sie die Zuschauer in der fast vollbesetzten Orangerie immer wieder an.

Zwischendurch erhebt sich Professor Honnefelder von seinem Stuhl in der ersten Reihe und fragt nach, erläutert – zum Beispiel die Hintergründe zum Piusorden – und tritt in einen spannenden Dialog mit der Autorin. So geht es um die Frage, warum heute niemand mehr über seinen Glauben sprechen mag. Religion sei eben in modernen Zeiten Privatsache, fast schon tabu.

Die beiden Protagonisten des Buches tun das jedenfalls sehr intensiv, setzen sich damit auseinander und wachsen daran. Auch die Transzendenz, der Bereich jenseits der eigenen Erfahrungen, wird thematisiert – sowohl im Buch als auch im Gespräch darüber. Josten erzählt, wie intensiv sie bei den Ordensgemeinschaften recherchiert hat und sagt, dass sie da bei den Erzkonservativen durchaus an ihre Grenzen gekommen sei. Zudem sieht sie problematische Parallelen in der Politik: „Einfache Antworten sind heute gefragt, selbst in komplexen Zusammenhängen.“

Ein Glas Wein von Anna Reimanns Weingut Cantzheim vor und nach der Lesung hilft den Besuchern, das doch sehr tiefe Thema leichter verdauen zu können.

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