Lili Marleens wahres Gesicht

WAWERN. "Ob es im Himmel wohl Sekt gibt?" - bei ihrem gleichnamigen Chansonabend in Wawern präsentierten Jens Förster und Pianist Norbert Lauter Titel der 20er und 30er Jahre sowie Eigenkompositionen.

Aus der Hurenballade "Bladdy Groth" von Jakob von Hoddis und Claus Clausberg hat Chansonnier Jens Förster den Titel seines Programms, "Ob es im Himmel wohl Sekt gibt?", entnommen. Rund 70 Minuten lang kommen hier vor allem unterdrückte Minderheiten zu Wort: "Raus mit den Männern", fordern die Feministinnen; mit Mischa Spolianskis "Lila Lied" hisst Förster musikalisch die Fahne der frühen Schwulenbewegung. Hollaender lässt der Sänger mit satirischem Augenzwinkern feststellen: "An allem sind die Juden schuld." Einen tragischen Beigeschmack verleiht diesem Titel seine Melodie, die aus Bizets "Carmen" stammt. Die Protagonistin dieser Oper - eine Zigeunerin - steht für eine weitere Randgruppe, die unter dem Dritten Reich zu leiden hatte.Schmerz und Verzweiflung

Mal kraft- und schwungvoll, mal flüsternd sanft interpretiert Förster die Stücke aus den 20er und 30er Jahren. Unter sie mischen sich ab und an eigene Chansons, wie sein bitterböser "42nd Semmel Waltz" oder das melancholische "Allerseelen", das Pianist Norbert Lauter komponiert hat.Schmerz und Verzweiflung werden in "Ne me quitte pas" von Brel hörbar, wenn der Sänger sich im Rezitativ regelrecht überschlägt. In einer lange verschollenen Exilfassung, die der Komponist Boris Priebe in den 90er Jahren wieder entdeckte, zeigt "Lili Marleen" ihr wahres, regimekritisches Gesicht: "Irgendwo, da fällst du; so will's der Führer ja", heißt es dort. Marlene Dietrichs gefühlvolles "Auf der Mundharmonika" belohnt schließlich als Zugabe das begeisterte Publikum."Ob es im Himmel wohl Sekt gibt?" hatte 1996 in der Synagoge Wawern Premiere. Seitdem war das Programm nicht nur in zahlreichen jüdischen Gotteshäusern in ganz Deutschland zu sehen: Auch in New York - im "International House" am Broadway - gastierte Jens Förster mit dem Chansonabend. Nach sieben Jahren zog es ihn und Norbert Lauter mit einer überarbeiteten Version des Programms noch einmal an die Saar zurück: "Dies

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