Martin träumt vom Salzhandel

Martin hatte einen Unfall. Erzählt er überall. Meine Version: Er ist hingefallen. Ausgerutscht. In Zeitlupentempo. Ziemlich genau vor unserem Haus. Auf Eis, auf spiegelglattem Eis, wie er betont.



Riesengeschrei, obwohl er armselig wie ein Maikäfer da lag. Gezetert hat er nicht wegen seiner kaum auszuhaltenden Schmerzen. Der Göttergatte hat sich den Fuß geprellt, mehr war es nicht.

Wie ein Rohrspatz geschimpft hat er auf diesen verdammten Winter und die unverschämterweise nicht gestreute Straße.

"Mein Lieber, dir ist schon klar, wo du dich gerade ausgestreckt hast, oder?", fragte ich mit äußerst sanfter Stimme. Gereizt und verständnislos blickte Martin mich an.

"Auf diesem Stück sind wir zuständig und leider niemand anderes. Das stand mehrfach im Volksfreund." Und um noch einen draufzusetzen, sagte ich: "Und selbst wenn die Stadt zuständig wäre. Die haben - genau wie wir - so gut wie kein Salz mehr und müssen ganz genau gucken, wo sie den kläglichen Rest unters Volk streuen."

Martin ist mit seinem Fuß krankgeschrieben. Die Zeit nutzt er - man höre und staune - "um neue Geschäftsideen zu spinnen", wie er sagt. Ein Ergebnis hat er mir gestern stolz präsentiert. Im Hobbykeller hat Martin fleißig neue Regale aufgebaut. "Willst du dieses Jahr Gurken einlegen?", fragte ich. "Fast", meinte er in triumphierendem Ton und klärte mich auf: "Da werden ab Sommer Unmengen Säcke Salz eingelagert. Und wenn im Winter überall die Regale leer sind, greife ich ins Marktgeschehen ein und vertick' meinen Vorrat zu gesalzenen Preisen." "Und wenn's gar keinen Winter gibt?", wollte ich wissen. "Dann kannste das immer noch zum Gurkeneinlegen benutzen", meinte Martin. Ich habe beschlossen, den Gatten einfach mal spinnen und das Frühjahr kommen zu lassen. Manches regelt sich ja doch ganz von selbst.

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