Mildes Urteil nach vier Bränden

Trier · Sie hat Feuer gelegt und Dutzende Male grundlos den Notruf gewählt - und doch wollte sie keinen Schaden verursachen, sondern nur Hilfe bekommen. Dieser Auffassung ist das Landgericht Trier und verurteilt deshalb eine 34-Jährige zu einer Bewährungsstrafe - und dazu, sich um den dunklen Fleck auf ihrer Seele zu kümmern.

Trier. Wer mit "Auf Nimmerwiedersehen!" verabschiedet wird, hört aus den Worten keine Sympathie heraus. Es sei denn, der Vorsitzende der Dritten Großen Strafkammer des Trierer Landgerichts richtet sie an jemanden, der soeben knapp an einem unfreiwilligen Aufenthalt im Gefängnis vorbeigekommen ist.
Die 34-Jährige aus dem Kreis Trier-Saarburg, die zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt wurde, verspricht Richter Armin Hardt jedenfalls, nicht mehr wiederzukommen.
Hardt mahnt: "Falls wir uns hier wiedertreffen, weil wir die Bewährung widerrufen, gehen Sie ins Gefängnis Zweibrücken." Dort gehe es anders zu als in der forensischen Klinik Nettegut, in der die frisch Verurteilte die vergangenen acht Monate verbracht hat. Dass sie dorthin nicht zurück muss und auch in keine andere geschlossene Psychiatrie, ist ebenfalls Teil des Urteilsspruchs.
Es waren 181 Taten, die die Frau auf die Anklagebank gebracht haben: 177-mal hat sie die 112 angerufen, ohne dass überhaupt ein Notfall vorlag. Und viermal hat sie Feuer gelegt, unter anderem in der psychiatrischen Abteilung des Mutterhauses in Trier und im Kreiskrankenhaus in Saarburg.
In der Urteilsbegründung führt Hardt aus, dass die Kammer den ursprünglichen Vorwurf der Brandstiftung in Sachbeschädigung abgewandelt hat, weil die meist durch entzündete Papierhandtücher gestarteten Brände nie größeren Schaden verursacht hätten - und die Angeklagte einen solchen auch gar nicht angestrebt habe. Verteidiger Eric Knechtel sagt: "Sie wollte nicht die Feuerwehr beschäftigen, sondern die Polizei."
Denn darin sind sich Verteidigung, Staatsanwaltschaft und später auch die Kammer einig: Sowohl die "dilettantisch" (Sachverständiger) gelegten Brände als auch die Notrufe waren nichts anderes als verzweifelte und verirrte Rufe um Aufmerksamkeit. Denn die Mutter dreier Kinder hat eines davon auf tragische Weise verloren, als es noch nicht einmal zwei Jahre alt war. Das kleine Mädchen erstickte an einem Stück Wurst, die Mutter danach fast an ihrer Trauer.
Ihre eigene Aussage, aber auch die Ausführungen des Gutachters zeigen ihren Weg in eine massive Persönlichkeitsstörung. Und wie die Frau nach ersten Selbstmord-Ankündigungen bei herbeigeeilten Polizisten ein offenes Ohr gefunden habe, während etwa der eigene Ehemann, von dem sie inzwischen getrennt ist, als unfassbar kaltherzig beschrieben wird. Noch auf der Beerdigung des kleinen Mädchens habe er die Trauernde angefahren: "Stell dich nicht so an!"
Selbstmordversuche, Alkoholismus, Aufenthalte in der Psychiatrie, schließlich die Brände und die vielen falschen Notrufe: Trotzdem macht der Direktor der forensischen Klinik als Gutachter auch Mut, indem er daran erinnert, wie viel im Leben der 34-Jährigen doch auch "funktioniert": wie sie, beispielsweise, ihre Kinder großgezogen und gleichzeitig gearbeitet hat. "Mit dem Tod des Kindes ist dann alles anders geworden", sagt er. Die nötige "Trauerarbeit" sei nie geleistet worden.Psychotherapie notwendig


Er schlägt vor, dass die Frau zu ihren Eltern ziehen könne - um sie dann durch ein "engmaschiges Netzwerk" zu unterstützen. Die Rückfallgefahr, vor allem für schlimmere Taten, schätzt er als eher gering ein - auf jeden Fall aber für nicht ausreichend für die Einweisung in eine geschlossene Anstalt.
Im Urteil folgt die Strafkammer seinen Vorschlägen weitgehend: So ist die Bewährung an die Auflagen gekoppelt, bei den Eltern einzuziehen und von dort aus täglich ein gemeindepsychiatrisches Betreuungszentrum aufzusuchen. Außerdem soll umgehend eine Psychotherapie aufgenommen werden, um sich endlich den Dämonen der Vergangenheit zu stellen.
Die Verurteilte und ihr Anwalt erklären, das Urteil anzunehmen. Die Staatsanwältin gibt noch keine Erklärung dazu ab.

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