Mit dem Audioguide Geschichte erfahren: Digitale Medien sollen über KZ Hinzert informieren
Hinzert-Pölert · Rund um die Gedenkstätte des ehemaligen SS-Sonderlagers/KZ Hinzert soll sich in den nächsten Jahren einiges ändern. Denn Bemühungen des Landes, die gesamte Lagerfläche zu erwerben, könnten dank Ortsbürgermeister Mario Leiber 2016 abgeschlossen werden. Dann sollen die Umrisse des Lagers visualisiert werden und Besucher die Möglichkeit erhalten, sich mit Hilfe digitaler Medien über das einstige KZ zu informieren.
Hinzert-Pölert. Erste Ideen, wie das eigentliche Lagergelände, auf dem die Häftlingsbaracken standen, kenntlich gemacht werden könnte, gibt es schon länger. Doch nun werden sie konkreter. Eine Rekonstruktion einzelner Gebäude des ehemaligen SS-Sonderlagers/KZ Hinzert (siehe Hintergrund) ist aber wie berichtet keinesfalls vorgesehen.
Beate Welter, Leiterin der Gedenkstätte, betont das denn auch entschieden. Und es würden auch keine Info-Tafeln aufgestellt. Moderne Gedenkstätten-Konzepte setzen vielmehr darauf, Umrisse darzustellen. So etwa, indem Gebäude oder Appellplätze mit anderen Bodenbelägen, Vertiefungen, Bewuchs oder Eckpfeilern markiert werden. Die so gegliederten Flächen können Strukturen und Dimensionen plastischer vor Augen führen als etwa nachgebaute Baracken.
Daher plant die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) auch Ähnliches für das KZ Hinzert. Als einziges größeres Vorhaben ist laut Welter ein rings um das Lager verlaufender Weg geplant. Er soll es Besuchern ermöglichen, sich die Abmessungen des Lagergeländes besser vorstellen zu können. Schon während der Planungsphase wird laut Welter zudem berücksichtigt, dass die Anlagen künftig ja auch gepflegt werden müssen. Der Verzicht auf Darstellungsformen wie Tafeln ist aber nicht Kosten, sondern heutigen digitalen Möglichkeiten geschuldet.
Besucher sollen sich individuell und auch außerhalb der Öffnungszeiten der Begegnungsstätte informieren können. So etwa, indem sie Wissenswertes per App oder QR-Code über ihr Handy abrufen oder sich wie in Museen von Audioguides leiten lassen. Welter ist bereits dabei, Daten dafür aufzubereiten. Je nachdem, wo Besucher stehen, können sie dem Blickwinkel entsprechend historische Fotos, Zeitzeugen-Zitate oder auch Berichte wie Zeitungsartikel erhalten. So erfahren sie viele Details über das Häftlingslager wie über die Täter der Wachmannschaften und der SS, die das Lager vom heutigen Ehrenfriedhof aus überblickten.Investitionen frühestens ab 2017
Eine entscheidende Voraussetzung für die aktuellen Überlegungen sind die weitgehend abgeschlossenen Verkaufsverhandlungen. Die Landesregierung bemüht sich seit Jahren, die gesamte Lagerfläche zu erwerben (der TV berichtete). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren dafür beanspruchte Flächen den Eigentümern zurückgegeben worden. Da einige ihr Land behalten wollten, setzte sich Mario Leiber, Ortsbürgermeister von Hinzert-Pölert und Mitarbeiter der Gedenkstätte, dafür ein, dass ihnen Ausgleichsflächen angeboten wurden. Die LpB beauftragte ihn, passende Grundstücke zu finden und zu kaufen.
Inzwischen sind für einen Großteil der etwa einem Dutzend Eigentümern gehörenden Parzellen die Verträge so gut wie unter Dach und Fach. "Wir sind sehr optimistisch, dass der Ankauf 2016 abgeschlossen sein wird", sagt Welter. Mit ersten Investitionen ist daher frühestens ab 2017 zu rechnen. Als besonders zeitintensiv erwiesen sich im Vorfeld Eigentümergemeinschaften. Die Erben der zweiten oder dritten Generation mussten teils mühsam ermittelt werden. Denn in Hinzert-Pölert gab es bisher noch keine Flurbereinigung oder Landzusammenlegung, erklärt Leiber.
Das für die künftige Erweiterung der Gedenkstätte benötigte Geld steht bereit. Der Landeshaushalt enthält schon länger einen entsprechenden Posten. "Für den Grundstückkauf sind seit Jahren 30 000 Euro vorgesehen", teilt LpB-Direktor Wolfgang Faller auf Nachfrage mit. Wegen zwischenzeitlicher Wertsteigerungen könnte der Betrag letztlich geringfügig höher ausfallen. Wie viel es kosten wird, das ehemalige Lagergelände zu gestalten, kann er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Denn noch ist es ja nicht spruchreif, was dort mit Hilfe digitaler Möglichkeiten und bei Wahrung "gedenkpädagogischer Gesichtspunkte" umgesetzt wird.Extra
Im SS-Sonderlager/KZ Hinzert kamen nachweislich 321 Menschen ums Leben - tatsächlich aber wohl weitaus mehr. Sie wurden ermordet oder starben an den Folgen von Lagerterror, Krankheit, Entkräftung oder Hunger. Das Lager fungierte ab dem Jahr 1939 als Polizeihaftlager für sogenannte "strafanfällige" Westwallarbeiter und war ab 1940 Konzentrationslager (KZ). Häftlinge, vor allem Männer aus Luxemburg, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Polen, wurden von dort in Vernichtungslager wie Buchenwald, Dachau oder Natz-weiler (Frankreich) deportiert. An die Menschen erinnern der Ehrenfriedhof mit Kapelle und Kreuz, das Mahnmal des ehemaligen Häftlings Lucien Wercollier sowie seit 2005 das Dokumentations- und Begegnungshaus. urs
