Mit dem "Madenmann" auf Mördersuche

HERMESKEIL. (ax) Ein mörderisches Vergnügen bereitete am Montag Mark Benecke mehr als 100 Zuhörern bei einer außergewöhnlichen "Autorenlesung" im Kulturherbst-Programm. Der Kölner Forensiker fesselte das Publikum mit Einblicken in die Ermittlungsarbeit bei spektakulären und rätselhaften Serienmorden und Kriminalfällen.

Die klassische Autorenlesung sieht anders aus: Sicher, Marc Benecke hat schon einige Bücher verfasst. Doch dass er sich hinsetzt und daraus vorliest - darauf warten das Publikum in der voll besetzten Bibliothek des Hermeskeiler Gymnasiums vergeblich. Das macht aber überhaupt nichts. Denn das, was der kahlköpfige Kölner seinem Publikum an diesem Abend zwei Stunden lang präsentiert, ist packendes Infotainment mit dem Einsatz von Laptop und zuweilen wenig appetitlichen Digitalfotos auf Großbildleinwand, die wohl so manchem ein mulmiges Gefühl in der Magengrube beschert haben dürften. Schließlich sind Nahaufnahmen von verfaulten und zerstückelten Leichen nicht jedermanns Sache. Doch mit dieser multimedialen Hilfe gibt der bekennende Flaschenbier-Trinker Einblicke in sein außergewöhnliches Handwerk. Von Beruf ist Benecke nämlich Kriminalbiologe, was ihm den Ruf des "Madendoktors" oder des "Herrn der Schmeißfliegen" einbrachte und den 36-Jährigen zum Medien-Star machte. So analysiert Benecke im weißen Kittel beispielsweise bei den "Medical Detectives" beim Fernsehsender "Vox" mysteriöse Kriminalfälle, und er ist ein gern gesehener Gast bei Talk-Shows. Spezialisiert hat sich der Forensiker auf die Untersuchung von possierlichen Kleinstlebewesen, die es sich auf Leichen gemütlich gemacht haben. "Damit können wir die Liegezeit bestimmen", sagt der Wissenschaftler, der mit seinen Ermittlungen bereits in vielen Fällen der Polizei bei der Tätersuche entscheidend weiterhelfen konnte. "Die Wirklichkeit ist spannender als jeder Krimi, nur grausamer", ist die feste Überzeugung von Benecke, und er liefert dafür schlagende Beweise. In Hermeskeil stellt er allerdings weniger seine eigene Spurensuche mittels entlarvender Helfer wie Ameise, Made und Co. in den Vordergrund. Er beleuchtet vielmehr die Taten und die Überführung von zwei Serienmördern, "die exakt dasselbe getan haben, obwohl sie sonst nur wenige Gemeinsamkeiten haben". Und so vergleicht Benecke die grausamen Morde der beiden pädophilen, homosexuellen und sadistischen Serienkiller Jürgen Bartsch, der in den 60-ern in Deutschland wütete und vier Jungen umbrachte, und des Kolumbianers Luis Alfredo Garavito, der in den 90-ern fast 300 Kinder folterte und tötete und im Gefängnis von Benecke verhört wurde. Oder er breitet die schaurigen Taten des Kannibalen "Vater Denke" zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus, in dessen Wohnung die Polizei "Gesäßmuskeln in Sahne-Sauce" fand, wie der Kölner Kriminalbiologe zu berichten weiß. Überhaupt ist es gerade die "Verpackung", mit der Benecke seine eklige Ermittlungsarbeit schildert, die beim Publikum gut ankommt. Denn der Kölner ist kein Biologe, der Zeug schwafelt, dass kein Normalsterblicher versteht. Vielmehr berichtet er in lockerem Plauderton mit teils saloppen, teils sarkastischen Sprüchen über das blutrünstige Geschehen und zieht "seine" Wissenschaft auch gerne mal durch den Kakao. "Dass man uns hier im am Tatort mit den weißen Schutzanzügen sieht, liegt eigentlich nur daran, dass es dort im Wald so viele Zecken gegeben hat", liefert Benecke beispielsweise eine ironische Erklärung zu einem der Fotos, die er den Zuschauern zeigt. Ute Jennen und Elke Malburg sind sich nach der "Lesung" jedenfalls einig: "Die Form war zwar etwas überraschend, weil es mehr ein freier Vortrag war. Benecke ist aber ein interessanter Typ, der ein eigentlich ernstes Thema sehr humorvoll und unterhaltsam rübergebracht hat." Und auch die drei Freunde Niko Reiland, Jens Anell und Andreas Eiden sind am Ende des Abends begeistert: "Es war super genial", lautet das Fazit der Schüler aus Schillingen und Hermeskeil.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort