Mit dem Rollstuhl unterwegs in Hermeskeil

Hermeskeil · Seit 43 Jahren ist Rolf Becker (68) auf den Rollstuhl angewiesen. Die Bewegungsmöglichkeiten für ihn und andere Betroffene in öffentlichen Gebäuden haben sich in Hermeskeil mittlerweile verbessert. Seine zentrale Forderung ist jedoch noch nicht erfüllt: Eine stets zugängliche Behindertentoilette in der Innenstadt.

Hermeskeil. "In der Hochwaldhalle und im Mehrgenerationenhaus gibt es die beiden einzigen Behindertentoiletten in Hermeskeil. Die sind jedoch nur bei Veranstaltungen geöffnet", schimpft Rolf Becker. Der 68-Jährige ist nach einem Unfall seit 43 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen und kämpft seitdem in Hermeskeil für mehr Bewegungsfreiheit für sich und andere Betroffene.
Er kennt die vielen Treppen an öffentlichen Gebäuden, freut sich aber auch über neue Lifter und Zugangshilfen. So etwa beim Amtsgericht. "Das Gebäude ist seit kurzem völlig rollstuhlgerecht", sagt Geschäftsleiter Thorsten Kaup. Drei Hebebühnen ermöglichen den Betroffenen, sich frei in dem denkmalgeschützten Gebäude zu bewegen. Insgesamt sind an und in diesem Gebäude rund 150 000 Euro für die Barrierefreiheit und Behindertentoiletten ausgegeben worden, bestätigt der Eigentümer, der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB).
10 000 Euro Umbaukosten



Ein barrierefreier Zugang in die obere Etage ist auch der Wunsch von Franz Josef Weber für das Bürgerhaus in Grimburg. Der Rechtsanwalt zeigt sich von der Lösung im Amtsgericht beeindruckt: "Mit mehr als 10 000 Euro Kosten für einen Lifter können wir das in diesem Jahr jedoch nicht mehr umsetzen."
"Die Polizeiinspektion ist seit mehr als zehn Jahren behindertengerecht ausgebaut", sagt PI- Leiter Michael Wahlen. Es gibt auch eine Behindertentoilette. Die oberen Stockwerke seien zwar von Rollstuhlfahrern nicht zu erreichen, würden aber für die Anliegen dieser Besuchergruppe nicht gebraucht.
Sorgenkind ist für Rollstuhlfahrer Becker weiterhin das Rathaus. Während das Frei- und Hallenbad vorbildlich ausgestattet sind und die Grundschule im Zuge der Umgestaltung zur Schwerpunktschule entsprechend ausgebaut wird, hinkt die Verwaltung weiter hinterher, wenn es um Barrierefreiheit geht.
"Der Umbau der Grundschule wird uns bis 2015 rund eine halbe Million Euro kosten", erklärt der erste Beigeordnete Hartmut Heck. Der integrative Ansatz, Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam zu unterrichten und die Klassenstärken zu verringern, mache die enorme Investition nötig. Denn es müssen auch viele Wände in dem Bau versetzt werden.
"Die Barrierefreiheit im Rathaus ist und bleibt auf der Tagesordnung", verspricht Heck. Das Rathaus ist nur bis ins Foyer hinein mit dem Rollstuhl zu erreichen. "Die Mitarbeiter kommen zu dem Rollstuhlfahrer herunter, um mit ihm sein Anliegen zu besprechen", beschreibt der Kommunalpolitiker die Lösung, die bislang praktiziert wird. Einen Aufzug einzubauen sei nicht nur teuer, sondern auch wegen der Zwischengeschosse im Rathaus technisch schwierig umzusetzen.
Die Verbandsgemeinde hat für Fälle, bei denen doch ein oberes Stockwerk erreicht werden muss, einen Rollstuhltransporter angeschafft. Ketten wie an einem kleinen Bagger kommen unter den Rollstuhl, um die Treppen zu überwinden. "Zwölf Mal kam das Gerät, das 4000 Euro gekostet hat, im letzten Jahr zum Einsatz", weiß Heck.
Nach der Rundfahrt sagt Rollstuhlfahrer Becker: "Hermeskeil ist keine behindertenfeindliche Stadt. Aber es gibt noch einiges zu tun. "Bis heute ärgert er sich über Behindertenparkplätze, die von Nichtbehinderten belegt sind, und nicht einmal alle Arztpraxen sind barrierefrei.
Extra

Das Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (LGGBehM) schreibt die Gewährleistung der gleichberechtigten Teilhabe der Betroffenen am Leben in der Gesellschaft und die Möglichkeit zur selbstbestimmten Lebensführung vor. Behörden und Gemeinden sind deshalb verpflichtet, im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel geeignete Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit zu ergreifen. doth

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