Nach 125 Jahren droht das Ende

Konz · Noch sind 18 Sänger übrig, die die Fahne des Männergesangvereins Merzlich-Karthaus 1889 hochhalten. Doch im Jahr des 125-jährigen Bestehens fürchtet der Vereinsvorsitzende Wolfgang Scalla um die Existenz des Vereins - ein Schicksal, das viele Vereine teilen.

 Noch Plätze frei: Der Männergesangverein Merzlich-Karthaus sucht im Jubiläumsjahr neue Sänger. TV-Foto: Friedemann Vetter

Noch Plätze frei: Der Männergesangverein Merzlich-Karthaus sucht im Jubiläumsjahr neue Sänger. TV-Foto: Friedemann Vetter

Konz. Wolfgang Scalla ist die Enttäuschung anzumerken. Sein Verein, der Männergesangverein Merzlich-Karthaus 1889, kämpft um die nackte Existenz - und das im Jubiläumsjahr. Denn der MGV wird dieses Jahr 125. Doch das Alter und die Tradition helfen nicht weiter. "Wir sind einfach zu wenig Sänger", sagt Scalla. "18 Aktive reichen nicht aus. 25 Leute wären perfekt." Wegen der Mitgliedermisere kann der Verein kein richtiges Jubiläumskonzert geben, sondern nur eine Messe mitgestalten. Am 29. Juni ist der Chor in der Kirche St. Johann in Karthaus zu hören.
Im Schnitt 73 Jahre alt


Der Altersschnitt der Sänger liegt laut Scalla bei 73 Jahren. Auch das macht den Blick auf die Vereinszukunft nicht unbedingt optimistischer. Trotzdem will der Vorsitzende weiter um neue Mitglieder kämpfen. "Als Vorstand gibt man nicht gerne einen Verein auf", sagt der 70-Jährige. Vor acht bis zehn Jahren hätten die Probleme begonnen. Damals haben laut Scalla zehn junge Sänger zwischen 22 und 35 Jahren aufgehört. Sie seien aus beruflichen Gründen aus Konz weggezogen oder hätten kein Interesse mehr gehabt. Aber auch die Zahl der inaktiven Vereinsmitglieder ist zurückgegangen. Heute sind es laut Scalla noch 80, vor zehn Jahren waren es 200.
Dabei hat Scalla offensiv um neue Mitglieder geworben - über Medienberichte und durch persönlichen Einsatz. Er sei auch schon in Karthaus von Tür zu Tür gezogen, erzählt er. Jeder, der Spaß am Singen habe, sei willkommen. Gesungen werden in erster Linie Volks-, Kirchen- und Operettenlieder. Regelmäßige Auftritte gibt es auch: bei den Sommerfesten im Karthäuser Altenzentrum, bei der Weihnachtsfeier des Sozialverbandes VdK in Konz und Trier-Olewig oder bei der Seniorenadventsfeier in Karthaus. Wie bedeutend der Verein noch beim 100. Geburtstag war, zeigt eine Festschrift von 1989. Damals haben die Sänger ein großes Stiftungsfest organisiert und an drei Tagen zusammen mit befreundeten Chören gefeiert. Im Kloster Karthaus waren die Vereinsmitglieder 1969 die ersten, die bei der Renovierung Hand anlegten. Später veranstalteten sie bis 1985 den beliebten Rosenmontagsball im Kloster. Heute ist von dem Glanz vergangener Tage nur noch wenig übrig. Und der Kampf um Mitglieder ist bei vielen Männergesangvereinen und Kirchenchören üblich (siehe Extra).
"Viele Vereine schließen, weil sie keinen Nachwuchs mehr bekommen", heißt es auf TV-Anfrage beim Amtsgericht Wittlich, wo das Register eingetragener Vereine für die gesamte Region Trier hinterlegt ist. "Davon sind gerade Männergesangvereine betroffen." Langfristig rechne er damit, dass etliche Gesangvereine aufgelöst würden, sagt ein Gerichtssprecher. Diese Auflösungstendenz sei aber kein Abbild des gesamten Verzeichnisses, das fast 7000 Vereine umfasst. Insgesamt gebe es mehr Neueinträge als Löschungen. Zurzeit seien vor allem Fördervereine für Schulen, Kindergärten oder Feuerwehren angesagt.
Wer Interesse am Männergesangverein Merzlich-Karthaus 1889 hat, kann sich bei dem Vereinsvorsitzenden Wolfgang Scalla telefonisch unter 06501/4937 melden.
Extra

Der Kampf um Mitglieder ist keine Ausnahme. Viele Männergesangvereine (MGV) haben Probleme damit, genug Sänger zusammenzubekommen. Das bestätigen mehrere Vorsitzende von Männergesangvereinen aus Konz im Gespräch mit dem TV. Der MGV mit den meisten Sängern in der Stadt Konz ist die 134 Jahre alte Sängervereinigung Konz. Der Vorsitzende Manfred Clemens ist stolz, dass der Verein beständig 35 Sänger hat. Das Erfolgsrezept? "Wir machen vieles im geselligen Bereich - gemütliche Abende mit den Frauen oder auch Fahrten", sagt er. Aber auch Clemens sieht die Nachwuchsprobleme: "Das Manko ist, dass in den Schulen nicht mehr gesungen wird". Hans-Hermann Glieden hat als Vorsitzender des Männergesangverein Lyra Oberemmel 2013 das 100-jährige Bestehen gefeiert. Für das Jubiläumskonzert hat er mehrere Ex-Sänger begeistern können, so dass 37 zusammenkamen. Die seien aber wieder abgesprungen, so dass der Verein jetzt 21 aktive Sänger hat. Glieden sieht den Grund für die Probleme im gesellschaftlichen Wandel. Es gebe ein breiteres Freizeitangebot, die Arbeitswelt habe sich auch verändert. Deshalb wolle sich kaum jemand an einen Gesangverein binden. Das könne man niemandem zum Vorwurf machen. Rudolf Hauser vom Männergesangverein in Könen freut sich, dass 2013 fünf Sänger hinzugekommen sind - in Könen gibt es nun 19 aktive Sänger. Der Vorsitzende des MGV Filzen/Hamm, Heinz Alt, ist froh, dass er 13 Sänger zusammenbekommt. Der Verein sei schon totgesagt gewesen, singe aber trotzdem weiter - vor allem wegen des rührigen Dirigenten Hans-Jürgen Adam. cmk

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