Neue Wallung um die Windkraft im Raum Kell

Schillingen/Schömerich · Die andauernde kontroverse politische Diskussion über die Windkraft ist in der Verbandsgemeinde Kell immer wieder für kuriose Wendungen gut. Jüngstes Beispiel: Der Schillinger Ortschef Markus Franzen greift seinen Kollegen Michael Lauer aus Schömerich an. Bei dem Streit spielen geplante Räder in Baldringen/Hentern, eine Baustelle im Saarland und eine dicke Kröte Nebenrollen.

 Sie sind die „dicke Kröte“, die Schömerich laut Ortschef Michael Lauer schlucken musste: die Windräder auf dem Dreikopf bei Lampaden. TV-Foto: Axel Munsteiner

Sie sind die „dicke Kröte“, die Schömerich laut Ortschef Michael Lauer schlucken musste: die Windräder auf dem Dreikopf bei Lampaden. TV-Foto: Axel Munsteiner

Schillingen/Schömerich. Es ist die Reaktion auf eine Reaktion: Die beiden Gemeinden Hentern und Baldringen pochen darauf, dass ihr gemeinsamer Windpark wieder als Standort für künftige Räder in der VG Kell berücksichtigt wird (siehe Extra). Das aber führt im benachbarten Schömerich zu Widerstand. Der Rat um Ortschef Michael Lauer (FWG) hat diesen Windpark kürzlich einstimmig mit einer Resolution abgelehnt (der TV berichtete). Doch für dieses Verhalten zeigt nun wiederum Markus Franzen (CDU) aus Schillingen überhaupt kein Verständnis.
Der Vorwurf: Franzen betont, dass "er nicht schlecht gestaunt hat", als er im TV über die Abwehrhaltung der Schömericher beim Windpark Baldringen/Hentern las. Denn in einem Gespräch über die mögliche Errichtung von Rädern habe ihm Lauer gesagt, dass jeder bereit sein müsse, eine Kröte zu schlucken. "Auf sich selbst und Schömerich will er diese Aussage aber wohl nicht anwenden", attackiert der Schillinger Bürgermeister seinen Kollegen. Dabei wäre aus Franzens Sicht, "die Kröte Windräder oberhalb von Baldringen gut zu schlucken". Dort sei der Eingriff in die Natur nicht so belastend, weil kein Wald gerodet werden muss. Anders sehe das bei den Windrädern aus, die zum Beispiel am Teufelskopf bei Waldweiler aufgestellt werden sollen. Gegen solche Anlagen in der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück haben sich in der Vergangenheit neben Schillingen, auch die Orte Mandern und Kell sowie auf CDU-Antrag im Februar 2014 auch die damalige Mehrheit im VG-Rat explizit ausgesprochen. Wie sehr der Wald und die Artenvielfalt "zerstört wird", lässt sich laut Franzen derzeit gut auf der aktuellen Windkraftbaustelle am Schimmelkopf feststellen. Er befindet sich direkt neben dem Teufelskopf auf dem Höhenzug des Schwarzwälder Hochwalds. Die vier Räder werden aber auf dem Gebiet der saarländischen Gemeinde Weiskirchen errichtet. Franzen wirft Lauer vor, dass die dort zu beobachtende Zerstörung der Natur ihm und den Schömerichern "wohl egal ist, so lange sie selbst davon verschont bleiben. Diese Haltung ist an Arroganz kaum zu überbieten", so der CDU-Mann.
Die Antwort: Lauer bestätigt zwar die Aussage gegenüber Franzen, "dass jeder eine Kröte schlucken müsse". Er fügt aber gleich hinzu, dass Schömerich und das benachbarte Paschel durch den Windpark am Dreikopf schon vor Jahren "eine dicke Kröte geschluckt haben". Lauer berichtet über Klagen von Bewohnern, die sich durch das Brummen der Anlagen und deren blinkende Lichter belästigt fühlen. Wenn nun noch - wie geplant - acht Räder bei Baldringen hinzukommen, wäre Schömerich mit 20 Anlagen "im Halbkreis eingekesselt. Das darf den Bürgern nicht zugemutet werden", betont Lauer. Der FWG-Mann weist darauf hin, dass der Standort Baldringen/Hentern eigentlich schon aus dem Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) in der VG Kell herausgenommen wurde. Der Grund: Diese Windräder würden nach der vom VG-Rat festgelegten Abstandsregel (zehnfache Nabenhöhe einer Anlage - 1400 Meter) zu nahe an Wohnhäusern stehen. Sollten dort doch Räder aufgestellt werden, würde das für die Menschen in Schömerich, Paschel und Vierherrenborn eine "enorme Belastung" darstellen, so Lauer. Er räumt zwar ein, dass Räder am Teufelskopf, Schimmelkopf und im Zerfer Wald einen "nicht unerheblichen Eingriff in die Natur" darstellen. Auch wolle er nicht, dass dieser "komplette Höhenzug in unserer VG mit Rädern zugestellt wird". Andererseits, so Lauer, verwundere es ihn, dass für Franzen "ständig der Naturschutz als Vorwand herhalten muss". Gründe für die Argumentation des Schillinger Ortschefs gegen Räder auf dem Rücken des Schwarzwälder Hochwalds "sind wohl eher die Sicht vom Balkon in vier Kilometer Entfernung", so Lauer. Den Vorwurf der Arroganz könne er nur an Franzen zurückgeben.Extra

Derzeit kommen in der VG Kell fünf Flächen für Windkraft in frage: Keller Gebrüch, B 407 bei Kell. Manderner Rodung, Zerfer Wald/L142 und Teufelskopf bei Waldweiler. Vor allem die beiden letztgenannten Standorte sind wegen der Lage in der Naturpark-Kernzone umstritten. Allerdings haben sich bei der Kommunalwahl die Kräfteverhältnisse im VG-Rat geändert. SPD und FWG sind nun gegenüber der CDU in der Mehrheit. Der VG-Rat wird sich am 27. November mit der Windkraft befassen. Baldringen und Hentern fordern, dass ihr Standort wieder in Betracht gezogen wird. Die Gemeinde Zerf verlangt, dass für den von ihr geplanten Windpark eine erweiterte Fläche an der L 142 berücksichtigt und diese auch aus der Naturpark-Kernzone ausgeklammert wird. "Das vereinfacht die ohnehin schwierige Sache natürlich nicht", sagt VG-Chef Martin Alten (CDU). Er hoffe nach wie vor darauf, dass alle Fraktionen an ihrem erklärten Ziel festhalten, "dass wir in der VG einen Flächennutzungsplan beschließen, weil sonst ein Wildwuchs an Rädern droht", so Alten. ax

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