Niemand weiß, wer warten muss

KONZ. Eigentlich sollten die so genannten Überquerungshilfen den Fußgängern und Autofahrern Orientierung geben. Beim Konzer Rewe-Kreisel hatte die Baumaßnahme den gegenteiligen Effekt. Niemand weiß, wer Vorrang hat und wer warten muss.

Selten zwar und bisher ohne schlimme Folgen, aber doch in gewisser Regelmäßigkeit kommt es am Konzer Rewe-Kreisel zum Konflikt der Verkehrsteilnehmer. Wenn Fußgänger die Michael-Scherer-Straße vom Supermarkt in Richtung Eisenbahnbrücke überqueren oder auch in umgekehrter Richtung laufen, dann müssen sie sich in der Regel per Blickkontakt mit den kreuzenden Autofahrern verständigen. Über die passende Regelung und den jeweiligen Vorrang weiß nämlich wahrscheinlich niemand genau Bescheid. Sogar Fachleute geraten angesichts dieser Frage ins Diskutieren. Komplizierter, als die meisten annehmen

Kein Wunder, dass sich durch Unnachgiebigkeit der Verkehrsteilnehmer schon einmal brenzlige Situationen ergeben, in denen sich der Fußgänger, der im Konfliktfall den Kürzeren ziehen würde, mit einem gekonnten Sprung in Sicherheit bringen muss und der Autofahrer wütend-rechthaberisch auf die Hupe drückt. Tatsächlich sind die Regelungen komplizierter, als manche annehmen. Rolf Welsch von der Konzer Polizeiwache und Edgar Strupp von der Konzer Verwaltung fassen sie so zusammen: Die Überquerungshilfe ist tatsächlich nur eine Hilfe für Fußgänger. Sie müssen warten, wenn Autos kommen. Fahrzeuge genießen Vorrang. An einem Kreisel indes gelten andere Regelungen. Jedes Auto, das den Kreisel verlässt, ist verkehrsrechtlich ein Abbieger. Die allerdings müssen auf Fußgänger, so der Text der Straßenverkehrsordnung, "besondere Rücksicht nehmen; wenn nötig, warten". Anders steht es, wenn ein Fahrzeug von einer der angrenzenden Straßen in den Kreisel hinein fährt. Dann hat der Autofahrer (oder auch Fahrradfahrer) Vorrang, denn er ist ja kein Abbieger. Beide Regelungen gelten übrigens immer, egal, ob eine Überquerungshilfe installiert wurde oder nicht. Das heißt, sie gelten am Rewe-Kreisel nicht nur für die Scherer-Straße, sondern auch für die drei übrigen Einmündungen. So kommt es am Rewe-Kreisel zu einer Art gespaltenen Vorfahrt. Die erste Hälfte der Überquerungshilfe auf der Supermarkt-Seite gehört den Fußgängern. Die Fahrzeuge, die aus dem Kreisel fahren, sind Abbieger und müssen warten, wenn Fußgänger über die Straße wollen. Wenn diese allerdings die mittlere Insel erreicht haben, wendet sich das Blatt. Dann hat der Fußgänger zu warten und das Fahrzeug freie Bahn. Eine komplizierte Regelung. So kompliziert, dass niemand sie kennt. Eine stichprobenartige Befragung am Kreisel ergab eine Trefferquote von null Prozent. Keiner der Befragten konnte korrekt angeben, wer nun wo eigentlich Vorrang hat. Der Paragraf eins gilt immer noch

Dass bisher nicht mehr passiert ist, hat mit einem höchst erfreulichen Umstand zu tun: Die meisten bestehen nicht auf ihrem tatsächlichen oder vermeintlichen Recht, sondern lassen im Zweifel den anderen vor. Rolf Welsch weist auf den bekannten und in Fahrschulen häufig zitierten Paragrafen eins der Straßenverkehrsordnung hin. Der gebietet gegenseitige Rücksichtnahme. So gesehen, machen die Konzer Verkehrsteilnehmer eine gute Figur. Bis jetzt, so Welsch, habe es am Kreisel nur einen Unfall mit Auto und Fußgänger mit leichten Verletzungen gegeben. Zwei Fahrern wurde allerdings die Höflichkeit ihrer Vordermänner zum Verhängnis. Die hielten vor Fußgängern an, die über die Straße wollten, und sie fuhren mit Schwung hinten drauf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort