Musik Perspektivlose Jugend: Punkband Dorfterror singt ironische Ode auf Oberbillig

Oberbillig · Die Punkband beschäftigt sich in ihrem neuen Song über ihren Heimatort mit der Perspektivlosigkeit der Dorfjugend. Das Video dazu haben sie in Oberbillig gedreht. Ein Verein im Ort findet das klasse. Gemeinsam würden sie gerne etwas für junge Menschen bewegen.

Oberbillig: Punkband Dorfterror singt ironische Ode an den Ort
Foto: Boris Ruth

Drei Jugendliche liegen am vernebelten Moseldamm in Oberbillig. Neben ihnen Rucksäcke, ein plattes Schlauchboot und ein paar andere Dinge. Die Szenerie, die zunächst eine normale Kamera und dann eine Drohne aus der Luft einfängt, sieht trist aus. Ein Zeitungsbote kommt vorbei. Er bewirft einen der drei mit einer taz, der linksgerichteten Tageszeitung aus Berlin. Der Jugendliche, es ist Lukas Ruth, Gitarrist und Sänger der Band Dorfterror steht auf, geht auf den Damm wo eine Toilette steht, setzt sich, liest die Zeitung. Dann setzen die Gitarren ein. Es gibt eine Wilde Fahrt mit Bobby-Cars durch den Obermosel-Ort, eine Dorfpolizistin, schrammelnde E-Gitarren, treibende Drums und einen rotzigen Text über das Dorf an der Obermosel. „Hier in diesem Dorf kennt jeder den anderen, nicht weil man befreundet ist, sondern alle verwandt sind“, beginnt es. Die Bridge und der Refrain: „Du fährst hinein, Endstation, der Bahnhof stinkt, und hier ist alles monoton. Ich und du, du und ich, wir sind alle Oberbillig.“

Dorfterror schreiben eine Ode an die dörfliche Tristesse

Dorfterror. So heißt die Punkband, die den Song geschrieben und das Video gedreht hat. Eine Ode an die dörfliche Tristesse und übers Ausbrechen daraus. Dass der Song „Oberbillig“ heißt, liegt nicht nur an dem Ortsnamen, der sicherlich schon mal Grund für Lacher war. Die Brüder Lukas (17) und Dominik Ruth (20), beide Gitarre und Gesang, stammen aus dem 1000-Einwohner-Dorf an der Obermosel. Die anderen Bandmitglieder, Florian (Bass, 17, beim Video noch nicht dabei) und Florin (Schlagzeug, 20), kommen ebenfalls aus der Verbandsgemeinde Konz und kennen sich dort gut aus.

Doch mögen sie ihre Heimat auch? Dominik, der 16 von 20 Jahren seines Lebens in dem Ort lebt, sagt dazu: „Ja – natürlich mögen wir Oberbillig. Wir mögen es sogar so sehr, dass wir versuchen wollen es zu verbessern.“ Mit dem Song und dem Video wolle Dorfterror kritisieren, dass es schwierig sei, als Jugend im Dorf etwas aufzubauen. „In Oberbillig ist es diverser und vielseitiger als in anderen Dörfern. Aber es wird kaum etwas für die Jugend gemacht“; sagt er. „Es fehlte immer ein Raum.“

Alternative Jugendkulturen haben es schwer - nicht nur in Oberbillig

Dominik macht daran für Jugendliche eine „Perspektivlosigkeit auf dem Dorf“ fest. Erst mit 16 oder 18 sei man mobil. „Dann kann man mal nach Konz oder Trier fahren“, sagt er. In dem Thema sieht er kein Problem von Oberbillig allein, sondern generell von Dörfern. Besonders alternativen Jugendkulturen, zu denen er den Punk zählt, werde meist kaum eine Chance gegeben. Es dominierten eher konservativere Einstellungen. „Man bekommt teils schräge Blicke, wenn man nicht so ist“, sagt der 20-Jährige, der in Konz Abitur gemacht hat und inzwischen in Bergisch-Gladbach Wirtschaftsinformatik studiert.

Die meiste Zeit seines bisherigen Studiums hat er aber wegen Corona im Homeoffice in Oberbillig verbracht. Und dort sieht er positive Entwicklungen. Seit 2019 gebe es beispielsweise den Verein Oberbellja Muselkanner, der viel für Jugendliche tue.

Wie ein Verein die Jugend nun unterstützt

Sandra Zimmer (42) aus dem Vorstand des Vereins freut sich über das Lob der Band. Zum Song über ihr Dorf sagt sie: „Das Lied ist super gemacht. Wir waren schwer begeistert.“ Sie habe mit Boris Ruth, dem Vater der beiden Bandmitglieder, der das Video größtenteils gefilmt und produziert hat, Kontakt gehabt. Dieser habe gesagt, dass er gern einen solchen Verein im Ort gehabt hätte, als seine Söhne noch jünger waren.

Zimmer meint: „Wir haben den Verein auch mit Blick auf unsere Kinder gegründet, damit mehr für sie getan wird.“ Ein Treffpunkt für die Jugend wäre auch aus ihrer Sicht wichtig. Der Verein verfolge nun die Idee, außerhalb des Orts ein Grundstück zu finden und dort beispielsweise einen Baustellenwagen aufzustellen, damit sich die Jugendliche treffen können.

Derzeit konzentrieren sich die Muselkanner aber auf die Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge. So der Verein beispielsweise zusammen mit dem Gasthaus zur Fähre am vergangenen Wochenende ein Benefizkonzert organisiert. Die Band Dorfterror hat dort zwar nicht gespielt, aber Familie Ruth hat auch mithilfe des Vereins eine ukrainische Mutter und deren neunjährige Tochter aufgenommen. Auf ihrer Facebook-Seite wirbt die Band für Spenden an den Verein.

Wie reagiert der Ortsbürgermeister von Oberbillig?

Andreas Beiling (CDU), Ortsbürgermeister in Oberbillig, nimmt das Video über sein Dorf, das als Metapher für alle Dörfer herhält, positiv auf. „Die Gruppe ist regional bekannt, sie äußert sich zu aktuellen Themen und zeigt Kante. Das begrüße ich, wenn Jugendliche das tun“, sagt Beiling. Mit dem Song richte die Band noch einmal den Blick auf die Jugend, die wegen Corona starke Einschränkungen habe hinnehmen müssen. Das finde er gut, sagt Beiling. Vor allem zeige Dorfterror mit dem Video, dass Jugendliche etwas auf die Beine stellen kann ohne Unterstützung der Gemeinde oder des Staats.

Sollte jemandem die kritisch-ironische Perspektive auf das Dorfleben nicht gefallen, bietet Dominik Ruth ein Gespräch mit der Band an. „Wir haben ja ein Interesse daran, das Dorf offener und ansprechende für die Jugend zu gestalten“, sagt er. Nach dem Video, das auf Ideen der Bandmitglieder basiert, bedankt er sich bei den vielen Freunden aus der Region, die beim Dreh am 28. Dezember mitgeholfen haben. Im Sommer will die Band ihr erstes Album „Zivilisation und Abgrund“ veröffentlichen, um danach – wenn Corona das zulässt – wieder mehr Livekonzerte zu spielen.