Ökostrom ist keine Option: Gemeinden sparen lieber

Saarburg · Der Atomausstieg ist beschlossen. Aber wenn es um die Stromversorgung öffentlicher Gebäude geht, sind die Gemeinden der Verbandsgemeinde Saarburg zurückhaltend. Das klare Bekenntnis zu erneuerbaren Energien fehlt. Sie verzichten darauf, dem Gemeinde- und Städtebund bei einer gemeinsamen Stromausschreibung Vorgaben zur Quelle zu machen.

Saarburg. Wie wird der Strom produziert, der im Gemeindehaus fließt? Wollen wir die gemeindeeigenen Anlagen nur noch mit Strom aus Wasserkraft, Sonnen- oder Windenergie beliefern lassen? Diese Fragen stellen sich die Ortsgemeinden zurzeit. Die Räte hatten in den vergangenen Wochen die Möglichkeit, sich an einer europaweiten Ausschreibung für die Stromlieferung zu beteiligen, die der Gemeinde- und Städtebund (GStB) für die Kommunen übernimmt (siehe Extra).Und obwohl die Gemeinden in dieser Ausschreibung auch angeben können, Strom aus erneuerbaren Energien zu bekommen, sind die Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde (VG) Saarburg und die Stadt Saarburg dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt, bei der Ausschreibung keine Anforderungen an die Erzeugungsart zu stellen.
Auch der Verbandsgemeinderat sprach sich zuletzt mehrheitlich für den Bezug von "Normalstrom" aus. Die SPD enthielt sich, die Grünen stimmten dagegen.
Gegen das Ökostromlos haben sich die Gemeinden vor allem wegen der höher prognostizierten Kosten entschieden mit dem Argument: Die Gemeinden müssen sparen, da passt es nicht rein, dass man sich Strom aus erneuerbaren Energien "gönnt". Der GStB gibt Mehrkosten von 0,5 bis 2,5 Cent pro Kilowattstunde an - das sind geschätzte Kosten. Exakte Zahlen liegen erst mit dem Ergebnis der Ausschreibung vor.
Auch in Merzkirchen - rund 25 Kilometer Luftlinie vom französischen Atomkraftwerk Cattenom entfernt - hat sich der Gemeinderat vor allem aus finanziellen Gründen entschieden: "Wir sind zurzeit dabei, 7000 Euro zusammenzukratzen, um dem kommunalen Entschuldungsfonds beizutreten", sagt Ortsbürgermeister Martin Lutz. Bei gerade mal einem Prozent, den die freiwilligen Ausgaben im Haushalt ausmachen, könne man nicht den teureren Strom beziehen.
"Bei 1800 Euro Stromkosten, die wir für unsere Gebäude haben, retten wir die Welt auch nicht, wenn wir Ökostrom beziehen", sagt Lutz. Ein Blick zum Nachbarn zeigt da ein ganz anderes Bild: Denn in der VG Konz haben sich Gemeinden für den Bezug von Ökostrom entschieden.
Landesweit betrachtet sind die Ortsgemeinden der VG Saarburg aber nicht alleine. "Es werden nicht mehr als 50 Prozent, die sich für Ökostrom entschieden haben", prognostiziert Gabriele Flach vom GStB.
Seit 1999 schreibt der Gemeinde- und Städtebund die Stromlieferung europaweit aus. Die europaweite Ausschreibung ist Pflicht, und den damit verbundenen bürokratischen Aufwand können einzelne Gemeinden nicht leisten. Daher die gebündelte, gemeinsame Ausschreibung.
Stephanie Nabinger, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Saarburger VG-Rat und atompolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, kritisiert die Vorgehensweise in der VG Saarburg. Die Kommunen sollten eine Vorreiterrolle spielen und auf Ökostrom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien setzen.
"Der Atomausstieg fängt eben schon bei der Strombestellung an, und die liegt in der Gewalt der Räte", sagt Nabinger. Außerdem weist sie darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen sei, je nach Ausschreibungsergebnis auch Strom aus Cattenom zu bekommen.
Unmöglich ist es nicht, dass am Ende der Ausschreibung dann doch alles anders kommt. "Es ist theoretisch nicht ausgeschlossen, dass ein Ökostromanbieter bei der Variante "Normalstrom" den Zuschlag bekommt, wenn er das günstige Angebot liefert", sagt Flach.Extra

Die dritte Bündelausschreibung des Gemeinde- und Städtebundes bezieht sich auf die Stromlieferung ab 1. Januar 2013 oder 2014 für öffentliche Anlagen mit Ausnahme der Straßenbeleuchtung. Variante 1: Normalstrom. Hierbei werden keine Anforderungen an die Erzeugungsart festgelegt. Variante 2: Ökostrom ohne Neuanlagenquote: Dieser Strom soll zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen, das heißt: Wasserkraft, Windenergie, Solarenergie, Geothermie und Energie aus Biomasse einschließlich Bio-, Deponie- und Klärgas. Dafür haben sich die Gemeinden der VG Konz entschieden. Variante 3: Ökostrom mit Neuanlagenquote: Ebenfalls 100 Prozent Ökostrom, allerdings mit der Besonderheit, dass mindestens ein Drittel des Stroms aus Anlagen stammt, die nicht älter sind als sechs Jahre, ein weiteres Drittel aus Anlagen, die nicht älter sind als zwölf Jahre. jka

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