"Ohne Kamera ist er nackt"

GUSENBURG. Karnevalsumzug, Kirmes, Kommunion - Günther Dellwo beobachtet das Geschehen durch sein Kameraobjektiv. Seit 1987 präsentiert der 57-Jährige jährlich den "Gusenburger Rückblick".

In Gusenburg ist er bekannt wie ein bunter Hund. Wenn Günther Dellwo nicht aus beruflicher Notwendigkeit aufs Dach steigt, ist er mit seiner Kamera auf der Pirsch. Ob Hochzeiten, Neubauten, jährlich stattfindende Feste oder Jubiläen - nichts entgeht ihm. Dellwo hält das Geschehen in seinem Heimatort mit der Kamera fest und präsentiert es gesammelt im "Gusenburger Rückblick".Auf den Spuren der Vorfahren

Zur Fastnachtszeit fiebern die Gusenburger schon dem Erscheinen des neuen Werkes entgegen, um die Höhepunkte des vergangenen Jahres in Kurzform noch einmal zu erleben. "Ohne Fotoapparat ist er nackt", sagt Ehefrau Annemarie. Bis zu einem gewissen Punkt unterstützt sie das zeitraubende Hobby ihres Mannes. "Wenn es zu viel wird, beginne ich zu meckern", berichtet Annemarie Dellwo. Doch Günther Dellwo ist nicht nur in der Gegenwart unterwegs. Mit Begeisterung wandelt der Mittfünfziger in seiner Freizeit auf den Spuren der Vorfahren. Wahre Foto-Schätze, auf denen die Geschichte des Hochwalddorfes und seiner Bewohner erzählt wird, sammelt der Dachdecker, dessen Chef sein eigener Sohn ist, in den beiden Büros. Wohl sortiert nach Jahreszahlen stapeln sich die Erinnerungen in den Regalen der einstigen Kinderzimmer. "Ich habe mich schon immer gerne mit alten Menschen unterhalten", erzählt der zweifache Vater und Großvater. Viele Dorfbewohner haben ihm ihre alten Fotos zur Verfügung gestellt. "Daraus hat sich eine Leidenschaft entwickelt, die mich nicht mehr los lässt", sagt Dellwo, der in jeder freien Minute nach Material sucht. Historische Ereignisse und die Entwicklung des Dorfes möchte er für die Nachkommen festhalten. "Denn die Gegenwart kann man besser verstehen, wenn man ihre Geschichte kennt." Bilderausstellungen, zu denen der Hobby-Historiker jährlich einlädt, liefern besonders älteren Menschen viel Gesprächsstoff. Da wären beispielsweise die beiden Ausstellungen "Alte Karnevalsumzüge" oder "100 Jahre Gusenburg". Erinnerungen werden wachgerufen und so manche Anekdote ausgetauscht.Sogar die Wetterlage wird festgehalten

"Schon frühmorgens durchstöbere ich den Trierischen Volksfreund , um mich über das Zeitgeschehen zu informieren und sicherzustellen, dass mir kein Artikel, der von unserem Ort handelt, entgeht", sagt der Historiker. Täglich notiert er die Wetterlage, um den Gusenburgern detailliert das zurückliegende Jahr wiedergegeben zu können. Seit ein paar Monaten arbeitet er an der Überarbeitung und Weiterführung eines Familienhandbuchs. "Es ist wie eine Sucht", erzählt Dellwo schmunzelnd. "Man wird nie fertig." Deshalb hat der erfahrene Dachdecker nur noch selten Gelegenheit, sich seiner zweiten Leidenschaft - der Musik - zu widmen. Wenn er in der Geschichte wühlt, ist er in seinem Element. Was ihn an seinem Hobby so fasziniert, kann Günther Dellwo nicht recht in Worte fassen: "Irgendwie ist es ein ständiges Suchen nach irgend etwas."

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