Paradiese aus zweiter Hand

KANZEM/KONZ. In der Verbandsgemeinde Konz liegen Naturschutzgebiete und etliche schützenswerte Areale. Den landläufigen Vorstellungen von geordneter Natur entsprechen sie nicht unbedingt. Trotzdem sind sie wertvolle Rückzugsgebiete seltener Pflanzen- und Tierarten. Zum Beispiel die ehemaligen Kiesgruben in Kanzem.

Der Blick geht durch unwegsames Brombeergestrüpp in eine Senke mit teils kahlem Boden, teils unregelmäßigem Bewuchs. Sonderlich ansprechend wirkt das Stück nicht gerade. Im Jahr 1987 waren dort die Bagger der damaligen Kiesgrube abgefahren, und statt das zurückgelassene Gebiet so zu "renaturieren", wie es nach dem Braunkohle-Abbau üblich ist, hatte sich die Ortsgemeinde Kanzem in Verbindung mit den Naturschutzverbänden entschlossen, das Areal vorläufig unverändert zu lassen und nur vor unsachgemäßen Eingriffen zu schützen.Anfangs war der Widerstand groß

"Der Widerstand im Ortsgemeinderat war anfangs groß", erzählt Ortsbürgermeister Günter Frentzen. Aber als die Kiesgruben ins Naturschutzprojekt "Wiltinger Saarbogen" einbezogen wurden, als die Gemeinde vor sechs Jahren einen Ökopreis im Rahmen des Europäischen Dorferneuerungsprojekts erhielt, da legte sich auch die interne Diskussion, und die letzten Kritiker beruhigten sich mit der Feststellung: "Das da tut ja keinem weh". Mittlerweile haben sich seltene Pflanzen angesiedelt, und stolze 400 bis 500 Schmetterlingsarten bevölkern das Gebiet. Schon seit 1998 wirbt eine Broschüre mit dem Titel "Naturspur am Altarm der Saar" für den Öko-Standort Kanzem und präsentiert einen Lehrpfad durchs Naturschutzgebiet. Zwei Steinwürfe weiter liegt zwischen Sträuchern ein Weiher - still, unberührt, scheinbar ganz der Natur überlassen. Grasfrosch und Kreuzkröte laichen dort und machen in der Paarungszeit auf sich aufmerksam. An einer Steilwand nistet die seltene Uferschwalbe, Goldammer, Zilpzalp, Heckenbraunelle, Mönchgrasmücke brüten in den Gehölzen. In wenigen Jahren würde sich in den Kiesgruben ein Mischwald entwickeln. Das ist nicht Ziel der Naturschützer. "Diese Naturschutzgebiete sind anthropogen, gehen also auf menschliche Eingriffe zurück", sagt Ernst-Christian Walter, Vorsitzender der Gruppe Saarburg im Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Und darum muss die natürliche Entwicklung immer wieder korrigiert werden. Was im Fall der ehemaligen Kiesgruben bedeutet: Gestrüpp auslichten, Büsche roden, Löcher baggern, durch Erdumschichtungen dafür sorgen, dass Pionierpflanzen, die auf offenen Boden angewiesen sind, ihren Standort behalten können. Die Hänge müssen immer wieder aufgeraut werden, damit die Uferschwalben dort noch Nistplätze finden. "Es geht uns nicht darum, die Natur sich selber zu überlassen, sondern die Artenvielfalt durch gezielte Eingriffe zu erhalten", sagt Annette Schäfer, die im Auftrag des Landes-Umweltamts die Biotope der Region betreut. Die Artenvielfalt in der freien Natur ist erst durch die Menschen entstanden - "Paradiese aus zweiter Hand", sagt Ernst-Christian Walter. Darum muss sie auch von den Menschen geschützt werden - vor sinnlosem Kahlschlag genauso wie vor Wildwuchs.Artenvielfalt durch gezielte Eingriffe

Der Schutz dieser Vielfalt und der Einsatz für die zahlreichen bedrohten Arten ist Vereinszweck des "Nabu", der 1990 aus dem "Deutschen Bund für Vogelschutz" entstand und bis heute einen Storch im Wappen führt. Er ist der größte Umweltverband Deutschlands mit allein 27 000 Mitgliedern in Rheinland-Pfalz. Die Nabu-Kreisgruppe Trier zählt derzeit 924 Personen. Sie besteht aus den Gruppen Saarburg, Trier und Ruwertal. Fledermaus- und Eulenschutz, Biotop-Pflege, Umweltbildung gehören zu ihren laufenden Aktivitäten. Der TV wird in lockerer Folge über Natur und Umwelt in der VG berichten. Weitere Informationen bei Corinna Albert, Am Gongler 20, 54459 Wiltingen, Telefon 06501/609419 oder per E-Mail: an Corinna.Albert@nabu-rlp.de.

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