Parteien kämpfen um Mitglieder

Trier/Saarburg · Schwindendes Politikinteresse und eine immer älter werdende Gesellschaft: Unter dieser Entwicklung leiden auch die Parteien im Landkreis Trier-Saarburg. Bei den großen Volksparteien sinken die Mitgliederzahlen deutlich. Die SPD hat seit 2002 fast 30 Prozent ihrer Anhänger verloren. Freie Wähler, Linke und Grüne dagegen trotzen dem Negativtrend.

Trier/Saarburg. Ein "riesiges Rekrutierungsproblem" und "kein Comeback": Dieses Schicksal hat der Trierer Politikprofessor Uwe Jun den politischen Parteien vorausgesagt (der TV berichtete). Ein Blick in den Landkreis bestätigt diese Prognose - zumindest für die großen Volksparteien. CDU und SPD leiden unter einem starken Schwund, verloren seit 2002 kontinuierlich Mitglieder. Einigermaßen stabil ist die Basis bei der Linken und - dem Bundestrend zum Trotz - bei der FDP geblieben. Die Freien Wähler freuen sich über leichten Zuwachs. Die Grünen haben ihre Mitgliederzahl nahezu verdoppelt. Die Piraten, erst 2010 gegründet, spüren ebenfalls einen deutlichen Aufwind.

CDU: Die CDU hat aktuell die meisten Mitglieder im Landkreis (1966). In den vergangenen zehn Jahren verlor der Kreisverband Trier-Saarburg allerdings 380 Anhänger - ein Rückgang von 16 Prozent. Etwa zur Hälfte sei dieser auf Sterbefälle zurückzuführen, teilt der Kreisvorsitzende Arnold Schmitt mit. Der Rückgang verlaufe kontinuierlich. Um die Mitgliederzahl zu stabilisieren, sagt Schmitt, wolle die CDU vor allem Jungwähler werben. "Das bedeutet auch, dass die CDU vor Ort junge Kandidaten für kommunale Räte aufstellt." Aktuell sind die Mitglieder durchschnittlich 58 Jahre alt. Dieser Wert habe sich in den vergangenen zehn Jahren allerdings nur leicht erhöht - um drei Prozent.

SPD: Den größten Mitgliederschwund im Kreis hat die SPD erlitten. Die Zahlen gingen seit 2002 (1795) um fast 30 Prozent zurück auf aktuell 1263 Mitglieder. Diese sind im Schnitt 56 Jahre alt. "Die Neueintritte haben die Zahl der Verstorbenen unterschritten", sagt Kreisvorsitzende Katarina Barley. Zudem sei man heute "weit entfernt" von der Zahl der Menschen, die sich in den 1970er Jahren für Politik, speziell für SPD-Kanzler Willy Brandt, engagierten. Aber es gebe auch positive Signale: Mitglieder blieben der Partei meist über Jahrzehnte verbunden, Neuzugänge seit 2009 seien im Schnitt 35 Jahre alt. Künftig wolle sich die SPD weiter öffnen: "Wer sich nicht binden will, soll trotzdem mitarbeiten können." Chancen dazu böten Themenforen oder auch Gastmitgliedschaften.

Freie Wähler: Die Freie Wählergruppe (FWG) Trier-Saarburg ist ein politischer Verein, keine Partei. Mitgliedschaften sind mehrfach möglich in einer Orts-FWG, Verbandsgemeinde-FWG oder in der Kreis-FWG. Im gesamten Kreisgebiet gibt es derzeit 2500 Mitglieder, davon gehören 120 der Kreis-FWG an. Laut Hugo Kohl, Fraktionsvorsitzender im Kreistag, ist die Zahl der Mitglieder im gesamten Landkreis seit 2002 um fünf Prozent gestiegen. Das Durchschnittsalter liege bei 40 Jahren - dank einer "kräftigen Verjüngung vor der letzten Kreistagswahl". Die FWG spreche Menschen an, die "gegen die Macht der Parteien sind, aber in der Kommunalpolitik mitentscheiden wollen", sagt Kohl. Der Verein sei "ideologiefrei". Er werde "politisch motiviert, wenn vor der eigenen Haustür gekehrt werden muss".

Grüne: Fast verdoppelt hat sich die Zahl der Mitglieder von Bündnis 90/die Grünen im Landkreis. Aktuell sind es 63, 2002 waren es 32. "Wir verzeichnen besonders vor Kommunalwahlen Zuwachs", sagt Sascha Gottschalk. Er ist Schatzmeister des Kreisverbands Trier-Saarburg, der seit 1. Januar unabhängig vom Kreisverband Stadt Trier agiert. Für das Wachstum entscheidend sei "die Präsenz vor Ort". Die Zahl grüner Listen sei seit 2004 deutlich gestiegen. In Saarburg (2009) und Trier-Land (2010) wurden Ortsverbände gegründet, ein weiterer entsteht in Ruwer. Künftig, so Gottschalk, wolle man auch das Potenzial in den mitgliederschwachen Verbandsgemeinden Schweich, Hermeskeil und Kell am See ausschöpfen. Werben könnten die Grünen mit "hochaktuellen Themen" wie etwa der Energie- und Verkehrswende.

FDP: Relativ konstant hat sich die Mitgliederzahl der FDP entwickelt. Laut Claus Piedmont, Vorsitzender der Liberalen im Kreis Trier-Saarburg, gibt es aktuell 52 Mitglieder. 2002 waren es 57, 2005 ging die Zahl zwischenzeitlich auf 44 zurück. Das Durchschnittsalter liegt bei 48 Jahren. Der Zuwachs an jüngeren Mitgliedern sei relativ hoch, sagt Piedmont. Allerdings hingen "Qualität und politisches Gewicht bei der FDP nicht von der absoluten Mitgliederzahl ab, sondern vom Wahlergebnis". Dieses werde jedoch "überproportional vom Bundes- und Landestrend bestimmt". Auch wenn der derzeit negativ ist, erwartet Piedmont für die Kreis-FDP "keinen nennenswerten Mitgliederschwund in der Zukunft". Der Verband wolle seine Kommunalpolitik nicht ändern und "an den demonstrierten Werten der vergangenen 20 Jahre festhalten".

Die Linke: Die Linke ist seit der Fusion mit der früheren PDS 2007 deutlich gewachsen. Damals gab es 28 Mitglieder im Landkreis, heute sind es 42. Seit 2009 ist die Zahl laut der Kreisvorsitzenden Katrin Werner relativ stabil. "Wir kennen das Überalterungsphänomen nicht", begründet Werner die Konstanz. Neuzugänge seien meist zwischen 18 und 30 Jahre alt. Mitglieder würden intensiv betreut über Bildungsangebote und Veranstaltungen. An Infoständen sei die Linke "vor Ort sehr präsent. Die Menschen nehmen uns wahr und wollen mitmachen." Dank Themen wie "Weg mit Hartz IV" oder"Raus aus Afghanistan" verfüge die Partei über "Alleinstellungsmerkmale". Die anderen Volksparteien seien "zu beliebig geworden. Wir liefern dazu den sozial-gesellschaftlichen Gegenentwurf".

Piraten: 57 Mitglieder hat die Piratenpartei Trier/Trier-Saarburg derzeit, davon 16 im Kreis. Die Zahl hat sich seit der Gründung Anfang 2010 (7 Landkreis, 30 Stadt) verdoppelt. Einen "deutlichen Beitrittsschub", sagt der Vorsitzende Christian Hautmann, gab es nach dem Erfolg der Piraten bei der Berlin-Wahl im September 2011. Dort kamen die Piraten auf neun Prozent der Stimmen. "Wir sind eine echte Alternative zum Parteien-Einheitsbrei", sagt Hautmann. Durch die "konsequente Nutzung moderner Kommunikationskanäle" erreiche die Partei junge Leute, die sich im Programm der anderen Parteien nicht wiederfänden.

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