"Petit poisson" dreht sich im Kreis

LANGSUR. "Moi, moi, moi", schreien 14 Kinderkehlen. Jeder möchte zuerst "der kleine Fisch" sein und sich mit einem roten Tuch im Kreis drehen dürfen. Der kleine Fisch heißt im Kindergarten Langsur allerdings "le petit poisson". Zumindest, wenn Izzat Haupert-Semmate mit den Kindern spielt. Seit fast fünf Jahren bringt die gebürtige Marokkanerin den Kleinen spielerisch die französische Sprache bei.

Die Kinder haben ihre kleinen Stühle im Kreis aufgestellt und warten gespannt, was Haupert-Semmate ihnen als nächstes Spiel vorschlägt. Anna sitzt etwas abseits und betrachtet skeptisch-staunend die anderen Kinder, die auf französisch singen, spielen oder zählen. Anna ist erst seit ein paar Monaten im Kindergarten.In ihren nachmittäglichen "Stuhlkreisen" gebe es keine Altersgruppen, sagt Haupert-Semmate. Alle Kinder zwischen drei und sechs Jahren, die nicht mittags von ihren Eltern abgeholt würden, können teilnehmen. Für die ganz Kleinen sei die Situation anfangs noch ungewohnt, sagt die 38-Jährige - denn sie spricht mit ihnen fast nur Französisch.Schwierige Suche

Seit 1999 können die Kindergartenkinder in Langsur erste Erfahrungen mit der französischen Sprache machen. Damals hatte die Gemeinde als Träger angeregt, den Kindergarten für das Projekt "Lerne die Sprache des Nachbarn" des Landes Rheinland-Pfalz anzumelden. Dank der Zuschüsse des Landes und des Kreises konnte der Kindergarten eine weitere Erzieherin einstellen. Bewerbungsvoraussetzung sei damals neben einer pädagogischen Ausbildung die Muttersprache Französisch gewesen, sagt Hannelore Schaller, Leiterin des Kindergartens. Nach einer "schwierigen und langwierigen" Suche habe man schließlich Izzat Haupert-Semmate gefunden. Die gebürtige Marokkanerin ist mit einem Deutschen verheiratet, lebt seit knapp zehn Jahren in Deutschland und wohnt seit kurzem in Langsur."Ich habe bisher nur gute Erfahrungen gemacht", sagt Haupert-Semmate, die auch in den Grundschulen Langsur und Igel ihre Muttersprache unterrichtet. Im Kindergarten gibt sie allerdings keinen Unterricht, sondern eher eine Spielstunde: "Die Kleinen müssen immer in Bewegung sein, und es muss Spaß machen", sagt sie.Dann könne man auch Dreijährigen eine Fremdsprache beibringen. Den Einwand, die Kinder könnten damit überfordert werden, lässt Hannelore Schaller nicht gelten. Kinder im Vorschulalter würden nicht zwischen der Mutter- und einer Fremdsprache unterscheiden, sagt sie und fügt hinzu: "Kleine Kinder können sehr viel aufnehmen, mehr als Erwachsene."Mittlerweile ist Haupert-Semmate in den Vormittagsstunden eine ebenso beliebte Mitspielerin wie die anderen Erzieherinnen. "Obwohl die Kinder wissen, dass ich nur französisch spreche", sagt sie. Manchmal komme es sogar vor, dass sich die Kinder untereinander mit "arrète" ermahnten, weil sie das französische "hör‘ auf" ihrer Erzieherin noch im Ohr haben.Inzwischen ist im Stuhlkreis der kleine Fisch "Madame la fée" gewichen - der guten Fee. Auf einmal steht auch Anna in dem bunten Pulk, der Haupert-Semmate umringt und "moi, moi, moi" schreit. Als das Mädchen mit grünem Hut auf dem Kopf und einem goldenen "baguette magique" in der Hand die anderen Kinder in Tiger, Schmetterlinge und Affen verwandeln darf, stahlen ihre Augen vor Glück und Stolz. Und irgendwann, vielleicht in einigen Wochen, wird sie verstanden haben, dass "baguette magique" auf deutsch "Zauberstab" heißt.

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