"Pflegenester" gegen Schul-Unlust

KONZ/TRIER. Der Diplom-Sozialpädagoge Herbert Fischer geht in Konz mit dem Freiburger Konzentrationstraining für Schüler neue Wege und will ein "Pflegenest" schaffen.

Familie Neukauf (Name geändert) hat Probleme. Eines der vier Kinder verweigert sich, die schulischen Leistungen gehen zurück. Die Lehrer schlagen Alarm. "In dieser Situation denken die Eltern oft an das Nächstliegende, einen schulbegleitenden Förderunterricht, um die Noten wieder zu verbessern", erklärt Herbert Fischer, der seit März in Konz außerdem noch eine "Pädagogische Schülerhilfe" anbietet. Immer häufiger leiden Schüler unter mangelnder Konzentrationsfähigkeit. Mit sinkenden Leistungen entwickelt sich Schul-Unlust, oft folgt Schulfrust.Schlummerndes Leistungspotenzial

Die Methode, die Fischer in Freiburg entwickelt hat und anwendet, setzt bei der Aufmerksamkeitssteuerung der Kinder an. Die "verbale Selbstinstruktion" - eine Technik aus der Verhaltenstherapie, bei der das Kind angehalten wird, bei jeder neuen Aufgabe die Aufgabenstellung zu formulieren und die Arbeitsschritte zu beschreiben - ist ein Teil davon. Mit diesen Übungen sollen das "laute Sprechen und Denken" trainiert werden. Dies wird in kleinen Trainingsgruppen von zwei bis vier Schülern umgesetzt. Dabei können die Kinder untereinander ihren natürlichen Ehrgeiz entfalten. "Für mich ist es wesentlich, das häufig schlummernde Leistungspotenzial abzurufen", betont Fischer. Neben der Förderung des Sprachvermögens, der Denkfähigkeit, der Feinmotorik, des Kurz- und Langzeitgedächtnisses ist er deshalb bemüht, im Verhaltenstraining "erfolgreiches" Verhalten der Kinder positiv zu verstärken, um ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Dies erfolgt in erster Linie durch Lob, Beachtung und Ermunterung. "Mit höherem Selbstbewusstsein gelingt es den Kindern viel besser, mit Konflikten umzugehen, auf Fehler und Misserfolge zu reagieren", sagt Herbert Fischer. Beim Gespräch mit Mutter Neukauf und beim Training mit dem Kind wird deutlich, dass auch Familienprobleme eine Rolle spielen und Erziehungsdefizite bestehen. "Oft hat die Familie eine Odyssee hinter sich. Schulpsychologen, Ergotherapeuten und Logopäden werden bemüht, Lese- und Rechtschreibschwäche behandelt. Jugendpsychologen stellen oft nicht eindeutige Diagnosen, verschreiben eventuell Medikamente. Bei der Diagnose bleibt es oft, meist folgt keine Therapie", bedauert Herbert Fischer, für den Ursachenforschung, Anamnese und ständiges Beobachten wesentliche Bestandteile seiner Arbeit mit den Kindern sind. Wie er in Gesprächen mit dem Jugendamt des Landkreises Trier-Saarburg festgestellt hat, fehlt es an therapeutischen Einrichtungen. Es gebe Heime für schwer erziehbare Kinder, aber heilpädagogische Heime - Herbert Fischer nennt sie "Pflegenester" - sind im Raum Trier nicht vorhanden. Es gibt Pflegefamilien, bei denen oft nach der Integration des Kindes Probleme entstehen, und Internate, passend für jeden Geldbeutel. Herbert Fischer will ein "Pflegenest" schaffen und sucht händeringend nach einem Haus mit Garten im Raum Konz/Saarburg. "Das Kind von Familie Neukauf könnte für einige Zeit im ,Pflegenest' aufgenommen und in einer Gruppe von vier bis fünf Kindern therapeutisch betreut werden", erläutert Fischer. Dort würden alle beschriebenen Methoden angewandt, und es würden für eine gewisse Dauer die Integration in eine soziale Gemeinschaft und der Aufbau von zwischenmenschlichen Kontakten gefördert. Das Ziel sei die Rückführung in die Ursprungsfamilie, wenn die Situation es zulasse. Wenn nicht, bestehe die Möglichkeit einer dauerhaften Integration in die Pflegefamilie. Der Diplompädagoge Herbert Fischer (46), geborener Düsseldorfer, ist auch Reitlehrer und kann sich alle anderen Therapieformen wie malen, spielen, arbeiten mit Kleintieren und Musik gut vorstellen.Jugendamt sieht Pläne positiv

"In der Gruppe verhalten sich die Kinder ganz anders, ich kann sie beobachten und die Stärken erkennen, die es gezielt zu fördern gilt", erzählt Fischer, der schon in Freiburg eine Einrichtung betreibt, aber seinen Lebensmittelpunkt nach Konz verlagert hat. Hans Schmitt, Leiter des Jugendamts Trier-Saarburg, steht dem Vorhaben positiv gegenüber: "Ich begrüße es, wenn die Bandbreite der Angebote zur Unterbringung von verhaltensauffälligen oder verhaltensgestörten Kindern im Einzugsbereich von Trier verfeinert wird." Kontakt: Herbert Fischer, Telefon 06501/603030, E-Mail Pschuelerhilfe@aol.com.

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