Rettet den Klatschmohn! - Kräuter aus Konzer Museum erhalten die Vielfalt (Video)

Konz · Kornblumen, Glanzehrenpreis oder Klatschmohn: Diese Pflanzen werden immer seltener. Eine nordrhein-westfälische Stiftung und ein Trierer Wissenschaftler wollen sie retten – unter anderem im Freilichtmuseum Roscheider Hof.

 Dr. Sven Wehke erntet wilden Feldsalat von dem Acker Freilichtmuseum Roscheider Hof. TV-Foto: Christian Kremer

Dr. Sven Wehke erntet wilden Feldsalat von dem Acker Freilichtmuseum Roscheider Hof. TV-Foto: Christian Kremer

Foto: Christian Kremer

Blau leuchten die Kornblumen über die Wiese im Freilichtmuseum Roscheider Hof. Gleich daneben sprießt knallroter Klatschmohn. An einer anderen Ecke des etwas 20 Quadratmeter großen Ackers schwirren Schmetterlinge, Hummeln und Bienen über gelb schimmernden Blüten.
Kräuterexperte vermehrt Samen Viele der Pflanzen sind Laien unbekannt. Sven Wehke kann hingegen zu allen 20 Kräutern auf dem Acker eine Geschichte erzählen. Die gelben Blüten, die so viele Insekten anlocken, identifiziert der Kräuterexperte als Saat-Wucherblume. Der Wahl-Trierer ist Doktor der Agrarwissenschaft und Diplom-Landschaftsökologe, also Experte für Naturschutz und Landwirtschaft zugleich.

Und im Auftrag der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft betreut er den rheinland-pfälzischen Teil eines bundesweiten Naturschutzprojekts. Konkret geht es um den Kräuteracker in Roscheid und eine weitere Fläche in Trier-Euren.

Unter dem Titel "Unkraut vergeht nicht - stimmt nicht!" will die Stiftung mit Unterstützung der Forschungsabteilung des Chemiekonzerns Bayer seltene Ackerwildkräuter erhalten.

Viele der Pflanzen, um die es geht, sind vom Aussterben bedroht. Mit Wehke hat die Stiftung den passenden Experten gefunden. Der Sohn eines Landwirts hat seine Doktorarbeit an der Uni Bonn über Ackerwildkräuter im Hunsrück geschrieben. Und genau diese Gewächse züchtet er, um deren Samen zu vermehren und so die Pflanzen zu erhalten. Knochenjob als Gärtner Wehke kniet vor dem Beet und schnibbelt mit einer Küchenschere eine seltene Feldsalatart ab. Er probiert ein Blatt und sagt: "Gar nicht bitter." Dann verstaut der 45-Jährige die Ernte in einer großen Tüte. So sichert er die Samen der Pflanzen.

"Das ist knochenharte Gärtnerarbeit", sagt Wehke. Die Trockenheit im Mai und Juni habe ihn viele Nerven gekostet. "Ich musste mir mit Gießkannen die Füße wund laufen", sagt der Forscher. Mit wissenschaftlicher Arbeit hat das auf den ersten Blick wenig zu tun.
Doch Wehke hat das Projekt, das seit 2016 läuft, akribisch vorbereitet. Um die seltenen Pflanzen in einem typischen Umfeld zu vermehren, hat er Boden aus Herl (Verbandsgemeinde Ruwer) zu dem Acker in Konz gekarrt. Naturräumlich gehöre Herl zum Hunsrück, sagt Wehke. Im Gegensatz zum Boden im Moseltal sei diese Erde besonders schieferhaltig und weniger fruchtbar, sagt er. Steinig, sandig und nur bis zu einem gewissen Grad intensiv nutzbar.

Das erschwere die Arbeit, entspreche aber dem natürlichen Umfeld der Kräuter: "Der Hunsrückcharakter war uns wichtig", sagt Wehke.
Nutzen des Projekts Die Frage nach dem Nutzen des Projekts beantwortet der Forscher schnell: "Jede Art hat in der Natur eine Existenzberechtigung", sagt er und verweist auf das Bundesnaturschutzgesetz. Kräuter seien zudem wichtig für die Medizin. Obwohl bisher keine der Pflanzen für Medikamente genutzt werde, könne noch ein Nutzen entdeckt werden.
"Dann ist es immer schlecht, wenn die Ursprungsarten nicht mehr da sind", erläutert der Experte. Auch für die Tierwelt seien die Kräuter wichtig. Die Pflanzen böten Futter und Lebensraum für etliche Insekten und Spinnen, aber auch für Feldvögel wie Wildhühner. Bereicherung fürs Museum Das Museumsteam habe dem Wissenschaftler die Fläche neben dem Weizenfeld von Franz-Rudolf Wahlen, dem ehemaligen Pächter der Äcker im Roscheider Hof, gerne zur Verfügung gestellt, sagt der ehrenamtliche Museumsleiter Helge Klaus Rieder. Das Projekt sei eine Bereicherung.
Ulrike Trilsbach vom Museumsteam erläutert, warum: Es gehe dem Freilichtmuseum darum, das Landleben der vergangenen 150 Jahre zu zeigen. Da gehörten die Kräuter dazu: "Das passt vom Thema sehr gut. Wir wollen die Aufmerksamkeit ja auf Dinge lenken, die verloren gehen könnten." Museumspädagogisch sei es gut, dass etwas zum Anfassen da sei, betont Trilsbach: "Wir haben weder die Kenntnisse noch die Leute, so ein Projekt selbst umzusetzen."

Deshalb halte sie das Engagement von Wehke für ähnlich wertvoll wie die Arbeit des Konzer Bienenzuchtvereins, der im Freilichtmuseum einen Lehrbienenstand betreibt. Doch auch ästhetisch sind die Kräuter aus Trilsbachs Sicht ein Gewinn. Besonders eine Pflanze hat es ihr angetan: "Eine Kornblume hat einfach etwas Himmlisches." Arbeit der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft

Die gemeinnützige Stiftung Rheinische Kulturlandschaft mit Sitz in Bonn kümmert sich im Rheinland in Nordrhein-Westfalen um den Natur- und Landschaftsschutz. Die Stiftung berät auch andere Naturschützer bei der Planung und Umsetzung ihrer Projekte, bei der Suche nach geeigneten Flächen und bei der langfristigen Pflege, Sicherung und treuhänderischen Verwaltung der Projekte.
Das bundesweite Ackerwildkrautprojekt "Unkraut vergeht nicht - stimmt nicht!" hat die Stiftung 2016 ins Leben gerufen. Projektpartner wurden bisher in Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen-Anhalt gefunden. Die Äcker in Konz und Trier haben ein Vorbild im Rheinland, wo ein Modellprojekt aus dem Jahr 2014 weitergeführt wird. Ziel ist die Wiederansiedlung der gefährdeten Ackerwildkräuter. Sachsen-Anhalt hat die Projektarbeit dieses Jahr begonnen. In Bayern gibt es fünf Naturräume für das Projekt auf sandigen, kalkhaltigen und wechselfeuchten Böden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort