Revolution in den Rathäusern

Hermeskeil/Kell am See · Es war so sicher wie das Amen in der Kirche: Am Dicken Donnerstag sind im Hochwald die letzten beiden Bastionen des tierischen Ernsts gefallen. Die Narren haben die Rathäuser in Hermeskeil und Kell am See im Handstreich erobert und die Bürgermeister bis Aschermittwoch aus ihren Amtsstuben verscheucht.

Hermeskeil/Kell am See. Widerstand war wieder mal zwecklos, und so fügten sich die Herren der Rathäuser gestern klaglos in ihr Schicksal. Vor der Invasion der närrischen Horden mussten gestern sowohl in Hermeskeil als auch in Kell am See die Bürgermeister bedingungslos kapitulieren. Dabei hatten sich in Hermeskeil Stadt- und Verbandsgemeindechef sogar im Doppelpack dem Ansturm der blau-weißen Meute vom Karnevalsverein "Ruck-Zuck" entgegengestellt. Diese hatten Udo Moser und Michael Hülpes immerhin noch eine kleine Galgenfrist gegönnt. Denn die Karawane hatte sich beim Zug durch die Gemeinde so verbummelt, dass sie nicht schon um 11.11 Uhr, sondern erst kurz nachdem es zwölf geschlagen hatte, in die Zentrale der Macht eindrang. Eskortiert von Elferrat und Gardemädchen machten die Kinderprinzen Jan II. und Nadja II. und das große Prinzenpaar Joachim II. und Susanne III. kurzen Prozess. Moser und Hülpes wurden ruck-zuck zur Abdankung und der Herausgabe des Rathausschlüssels gezwungen.Das fiel vor allem Moser gar nicht schwer. Denn der Hermeskeiler Prinz Joachim, der den bürgerlichen Namen Trösch trägt, ist im Stadtrat Sprecher der "Bürger für Bürger" - also der poltischen Gruppierung, die ihrem Gründer Moser höchst freundlich gesonnen ist. "Willkommen im Hause", rief deshalb der Stadtbürgermeister den Aufständischen frohgemut entgegen. Doch war da von der närrischen Majestät nicht eine Bemerkung zu hören, die nach weitreichenden Putschplänen klang? Joachim II. setzte sich jedenfalls im großen Sitzungssaal auf den Platz des Stadtbürgermeisters, um zu verkünden: "Hier würde es mir auch gut gefallen!"VG-Chef Hülpes hatte zu diesem Zeitpunkt jedenfalls schon resigniert. Der jeckischen Vollversammlung im Saal erklärte der Mann von der CDU: "Zu schwer ist es, Politik zu machen. Nur Narren können das noch schaffen oder vielleicht auch eine Horde Affen." Das letzte Bollwerk der Bürokratie hielt sich im Hochwald etwas länger. In Kell am See erging es Bürgermeister Werner Angsten am Schluss aber nicht anders als den Regenten in der Nachbarschaft. Zwar gelang es ihm zunächst noch, sich in seinem Büro zu verschanzen. Um 15.11 Uhr war aber auch für ihn gegen eine wild entschlossene Narren-Armada kein Kraut gewachsen. Denn der Keller Karnevalsklub "Callida" hatte nicht allein zum Sturm auf das Rathaus geblasen. Verstärkt durch die närrischen Truppen aus Schillingen, Greimerath, Lampaden und Mandern war es für die Aufständischen ein Leichtes, den CDU-Politiker in seiner guten Stube zu umzingeln. Dieser hielt zwar noch eine launige Abschiedsrede. Angesichts der Übermacht musste er aber eingestehen: "Ich rücke raus, was man nicht gerne tut, des Bürgermeisters höchstes Gut." Sprach\'s und übergab den Rathausschlüssel an den Keller Prinzen Benedikt. Dessen holde Gemahlin Eva forderte Angsten zwar frech dazu auf: "Nun aber raus aus dem Haus. Dann ist das große Leiden aus." Doch als die Revolutionäre schon zur nächsten Station auf ihrer Reise weiterziehen wollten, gab sich der Bürgermeister dann doch noch etwas widerspenstig. Denn auf das Altenteil will sich Angsten noch lange nicht setzen, wo ihm doch im wahren Leben erst 2014 die Pensionierung winkt. Und so sagte Angsten nicht für immer ade, sondern stellte klar: "Nehmt den Schlüssel und haut ab, bis ich ihn am Aschermittwoch wiederhab!" www.volksfreund.de/fastnacht

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