Diskussionsveranstaltung Ein siebter Sinn für Gesundheitsfürsorge

Saarburg · Beim hochkarätig besetzten Saarburger Gesundheitsforum haben die Besucher erfahren, warum Prävention in die Kommune gehört und worauf jeder einzelne bei sich achten kann.

 Die Podiumsteilnehmer (von rechts): Sabine Köpke, Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Mainz, Marie-Louise Conen von der IKK Südwest, Moderator Bernhard Stein, Dr. Thomas Poss, Chefarzt des Saarburger Krankenhauses, Dr. Harald Michels, Leiter des Gesundheitsamts Trier, Gesundheitswissenschaftler Dr. Ellis Huber und Prof. Martin Dietrich, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Die Podiumsteilnehmer (von rechts): Sabine Köpke, Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Mainz, Marie-Louise Conen von der IKK Südwest, Moderator Bernhard Stein, Dr. Thomas Poss, Chefarzt des Saarburger Krankenhauses, Dr. Harald Michels, Leiter des Gesundheitsamts Trier, Gesundheitswissenschaftler Dr. Ellis Huber und Prof. Martin Dietrich, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Foto: TV/Marion Maier

Moderator Bernhard Stein, Autor des Buchs „Das kranke System“, kam beim Fachforum zu Gesundheitsförderung und Prävention in Saarburg gleich zur Sache. Er verwies auf eine amerikanische Studie, derzufolge fünf Dinge die Menschen zehn Jahre länger leben lassen: gesundes Essen, täglicher Sport, das Gewicht halten, den Alkoholkonsum begrenzen und nicht rauchen. „Wie bekommen wir diese Botschaft an den Mann und die Frau?“, fragte er.

Ellis Huber, Gesundheitswissenschaftler und Vorsitzender des Berufsverbandes der Präventologen, klärte die Frage, wieso das Thema Gesundheitsförderung und Prävention in die Kommune gehört. Huber, der Chef einer Krankenkasse war, zählte die häufigsten Leiden auf: Depression, Angst, hoher Blutdruck und Rückenschmerzen. Dies seien keine Symptome, die auf Organversagen zurückzuführen seien, sondern auf Stress, die tägliche Anspannung oder auch seelisches Ungleichgewicht, sagte Huber. Er sprach von „einer Krankheit an der Schnittstelle Individuum/sozialer Raum“ und forderte, die „Heilsamkeit des sozialen Gewebes“ wieder zu entwickeln. Huber: „Das geht nur dort, wo die Menschen leben, also in den Kommunen.“

Huber belegte seine These mit weiteren Beispielen. So liege die Zahl der Herzinfarkte in Brandenburg und Sachsen-Anhalt (im „Deutsche Post Glücksatlas 2019“ auf dem letzten und dem drittletzten Platz unter den deutschen Bundesländern) doppelt so hoch wie in Schleswig-Holstein (auf Platz eins im Glücksatlas). Huber zog daraus den Schluss, dass Menschen dort krank werden, wo sie sich nicht mehr aufgehoben und geborgen fühlen. „Wir müssen die Menschen befähigen, mit Stress anders umzugehen und Beziehungen nachhaltiger zu gestalten.“

Sinnstiftung, die Bedeutung der Persönlichkeit und nicht alleine zu sein nannte Huber wichtiger für die Gesundheit als die eingangs erwähnten fünf Punkte. Einsamkeit entspreche in seiner Wirkung 16 Zigaretten am Tag. Was also tun? Der Bildung subsidiärer (Hilfe leistender) Gemeinschaften gehöre die Zukunft, sagte Huber. Er forderte, dass die Politik den Bürgern Ressourcen aus den Töpfen Krankenkasse und Steuern zur Verfügung stellen müsse, damit diese ihre Lebenswelt eigenverantwortlich besser gestalteten. Als gutes Beispiel, wie diese Selbstverwaltung aussehen könne, nannte er das Saarburger Model (siehe Info) und das „Gesunde Kinzigtal“, in dem sogar Gesundheitsrenditen gezahlt werden.

Prof. Dr. Martin Dietrich , stellvertretender Leiter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erklärte vor den rund 35 Zuhörern im Sitzungssaal der Verbandsgemeinde, dass seine Organisation zwar gesetzlich nicht befugt sei, den Kommunen in dieser Angelegenheit Vorschriften zu machen. Doch könne sie in dieser Sache beraten. Wichtig sei beispielsweise, die Betroffenen in die Entwicklung eines Programms miteinzubeziehen. Die Bundeszentrale gebe Tipps, wie das funktioniere. Hintergrund: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat die BZgA damit beauftragt, Gesundheitsförderung und Prävention weiterzuentwickeln und umzusetzen.

Als Mann der Praxis saß Thomas Poss, Chefarzt des Saarburger Krankenhauses mit auf dem Podium. Er gestand ein, dass er und seine Kollegen im Krankenhaus viel zu wenig an Prävention dächten und kritisierte, dass sie auch zu wenig honoriert würde. Gerade beim Thema Rückenschmerzen schaue kein Arzt genau hin. Viele Faktoren, wie viel Sitzen und Stress, führten zu dem Problem. Doch stattdessen werde häufig unnötig geröntgt sowie Medikamente und Krankengymnastik verschrieben.

Harald Michels, Leiter des Gesundheitsamts Trier/Trier-Saarburg, verwies auf den Verein Haus der Gesundheit in Trier, der seit Ende der 90er versucht, Prävention zu etablieren. Doch das sei schwierig, es sei nur punktuell gelungen. Es brauche engagierte Menschen wie Bernd Gard, sagte Michels. Beispiel Nichtraucher-Kurse: Laut dem Leiter des Gesundheitsamts gibt es im Raum Trier nach wie vor drei Mal so viele Raucher wie im Kölner Raum. Doch beim Gesundheitsamt ist Neues ist in Planung. So soll mit Förderung der BZgA eine Koordinierungsstelle für Prävention und Gesundheitsvorsorge eingerichtet werden. Zudem will Michels verstärkt für die Impfung gegen Papillomaviren werben, die unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösen.

Im Laufe der Diskussion, an der sich auch die Besucher beteiligten, wurde deutlich, dass Einigkeit herrscht, die Prävention möglichst auf vielen Ebenen – auch in Schulen und Betrieben – zu verstärken. Ein Zuhörer regte an, für Gesundheitsvorsorge mit Filmbeiträgen zu werben – so wie mit der Fernsehsendung „Der siebte Sinn“ zwischen 1966 und 2005 für Verkehrssicherheit geworben wurde.

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