Schreckliche Sekunde

KASEL. (kat) Unbarmherzig schlug das Schicksal vor 33 Jahren zu: Irma Becks Mann wurde auf offener Straße angeschossen. Von dem Täter fehlt bis heute jede Spur. Irma Beck hofft immer noch, dass der Täter, der das Leben der Familie zerstörte, sich stellt.

Das Leben kann einem manchmal böse mitspielen. Das hat Irma Beck erfahren. Täglich kreisen ihre Gedanken um den einen Tag, der das Leben der damals jungen Familie auf den Kopf stellte. Es ist der Abend des 15. Mai 1972. Auf der Straße vor dem Haus in Trier-Zewen wartet Hermann-Wilhelm Beck auf seine Frau. Eine Kugel trifft ihn in den Kopf. Monatelang kämpfen die Ärzte um sein Leben. Die Mediziner gewinnen den Kampf gegen den Tod, doch die bleibenden Schäden können sie nicht abwenden: Hermann-Wilhelm wird 33 Jahre lang Kopfschmerzen, Ohnmachtsanfälle und Schlucklähmungen haben, achtmal in akute Lebensgefahr geraten. Die Familie lebte in ständiger Angst. Am 27. April dieses Jahres verstarb der 75-Jährige. Von dem Täter fehlt bis heute jede Spur. Irma Beck hat Jahrzehnte um die Gesundheit ihres Mannes gekämpft. Nun kämpft sie weiter: "um Gerechtigkeit". Täglich hofft sie, dass der Täter sich stellt. Hoffnungsvoll sei ihr Leben vor dem Schuss gewesen. Der Rohbau des Eigenheims stand, der Sohn war ein guter Schüler. "Wir waren verliebt wie am ersten Tag", erinnert sich Irma Beck an glückliche Zeiten. Innerhalb einer Sekunde wendete sich das Leben der Kleinfamilie auf dramatische Weise. "Ein Mann, der stark wie ein Pferd war, wurde zum Pflegefall. Von einem Tag auf den anderen musste ich alles alleine regeln." Irma Beck arbeitete, sorgte sich um ihren Mann, den Jungen, das Haus. Nie vergessen wird sie, wie ihr Sohn mit Verdacht auf Blinddarm-Entzündung in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Das Ergebnis: "Die Schmerzen waren die Folgen von dem vielen Sand, den er auf dem Bau geschleppt hatte." Während sie erzählt, kämpft Irma Beck immer wieder mit den Tränen. "Er musste mithelfen, statt zu spielen." Die Tat habe auch die Berufswahl des Sohnes beeinflusst: Er studierte Jura und wurde Anwalt. Nachbarn und Freunde haben Beck geholfen, die schweren Zeiten zu meistern. Vom Staat fühlt sie sich vollständig im Stich gelassen. "Von der Kriminalpolizei bin ich sehr enttäuscht", sagt sie. "Die Opfer müssen schauen, wie sie klar kommen." Hilfeleistungen hat sie keine erhalten, psychologische Hilfe nicht erfahren. "Jetzt bin ich alt und alleine", sagt sie mit trauriger Stimme. "Ich bin es meinem Mann schuldig, nicht locker zu lassen." Die Liebe zu ihm und dem Sohn hat ihr geholfen, das Schicksal zu meistern. Irma Beck hat nur einen Wunsch: "dass ich mit dem Täter sprechen kann". Selbst gegenüber dem Menschen, der für ihre Wutgefühle und das Leid, das ihrer Familie widerfahren ist, verantwortlich ist, zeigt sie Stärke. Sie sagt: "Wenn er zu mir käme und es keine Absicht war, dann könnte ich sogar an Verzeihung denken."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort