Schülerstrom aus dem Saarland versiegt

Hermeskeil · Jahrzehntelang kam an den weiterführenden Schulen in Hermeskeil rund ein Drittel der Kinder aus dem Saarland. Doch inzwischen gibt es in der fünften Klasse der Integrierten Gesamtschule (IGS) überhaupt keine Kinder mehr von jenseits der Grenze. Auch am Gymnasium gehen die Zahlen zurück. Der TV forscht nach den Ursachen.

Hermeskeil. "Wir sind eine aussterbende Rasse", sagt Alex Braun schlagfertig, bevor der Neuntklässler an der IGS mit dem Bus heim nach Otzenhausen fährt. IGS-Elternsprecher Manfred Schmidt formuliert es so: "Es gab eine gewachsene Verbindung. Vor allem der Nonnweiler Raum ist in Hermeskeil zur Schule gegangen. Zumindest bei uns ist dieser Weg jetzt versperrt."
Damit spielt er auf folgende Tatsache an: 2010 wurde aus der früheren Realschule die IGS. In den älteren Jahrgängen drücken weiterhin viele Kinder aus dem Saarland die Schulbank - in Klasse zehn sind es 46 von 157.
Ganz anders sieht es in Klasse fünf aus. Dort kommt kein einziges Kind mehr aus dem Saarland. Das hängt mit der Einführung der IGS zusammen. In dieser neuen Schulform wird nur noch vierzügig (also mit vier Klassen pro Jahrgang) unterrichtet. Das bedeutet, dass in den fünften Klassen maximal 120 Kinder aufgenommen werden. Wird diese Marke bei der Anmeldung überschritten, kommt es zu einem Auswahlverfahren. Und dabei werden grundsätzlich Kinder aus dem Gebiet des Schulträgers - also in Hermeskeil aus dem Kreis Trier-Saarburg - bevorzugt.
Interesse ist im Saarland noch da


Was das für das Verhalten saarländischer Eltern bedeutet, beschreibt Bernd Schütz, Leiter der Grundschule Nonnweiler, so: "Ich denke, dass sich viele gesagt haben: ,Bevor ich in ein Auswahlverfahren komme, bei dem ich ohnehin keine Chance habe, erspare ich mir das Prozedere und melde mein Kind lieber gleich an einer saarländischen Schule an.\'"
IGS-Leiterin Christa Breidert berichtet, dass nach wie vor viele Eltern aus dem Saarland die Schule schätzen und ihr Kind gerne an die IGS geschickt hätten: "Es tut mir leid, wenn ich diesen Familien absagen muss - vor allem, wenn noch ein älteres Geschwisterkind hier zur Schule geht." Sie weist darauf hin, dass für den Standort Hermeskeil ursprünglich eine IGS mit sechs Zügen - also maximal 180 Schülern - beantragt worden war. Das Land hatte aber nur eine IGS mit vier Zügen genehmigt. Hält der Trend an, wird an der IGS 2016 das letzte saarländische Kind von der Schule abgehen.
Auch am Hermeskeiler Gymnasium schrumpft die Zahl der Kinder aus dem Nachbarland. Kommen in Stufe 13 von 102 Schülern noch 30 aus dem Saarland, sind es in der fünften Klasse nur noch 19 von 93.
"Wir haben schon die Befürchtung, dass auch bei uns die Zahl der Saarländer auf null zurückläuft", sagt Direktor Arno Ranft. Dafür führt er zwei Gründe an: An den saarländischen Grundschulen würden die Hinweise auf Informationstage des Gymnasiums nicht mehr so zuverlässig wie früher an die Eltern weitergegeben werden. Zum anderen gebe es nach der Einführung der IGS "am Standort Hermeskeil keine Durchlässigkeit mehr", so Ranft. Damit ist Folgendes gemeint: Wenn sich herausstellt, dass es ein Kind leistungsmäßig nicht am Gymnasium schafft, konnte es früher an die Realschule wechseln. In der Schulform IGS ist das aber nicht mehr möglich. Für das Kind müsste also ein neuer Schulort außerhalb Hermeskeils gesucht werden. Ranft vermutet, dass einige saarländische Eltern ihre Kinder lieber gleich am Waderner Gymnasium anmelden. Denn scheitert es dort, kann es weiter in Wadern bleiben und an die erweiterte Realschule gehen. "Vor allem durch die IGS wurde die Mauer Richtung Saarland sehr hochgezogen", sagt Heike Jessen (Otzenhausen), Elternsprecherin am Gymnasium Hermeskeil.Meinung

Geschwächter Schulstandort
Natürlich gibt es für den Schwund der saarländischen Schüler an Hermeskeiler Schulen auch eine ganz profane Erklärung. Auch im Nachbarbundesland drücken immer weniger Kinder die Grundschulbänke. In Nonnweiler gehen beispielsweise aktuell 76 Kinder in die vierte Klasse. Neu eingeschult wurden aber nur 60. Allein aufgrund der demografischen Entwicklung gibt es also kaum Hoffnung, dass wieder mehr Kinder aus dem Nordsaarland nach Hermeskeil kommen. So weit, so schlecht. Klar ist aber auch, dass der Wandel in der Schullandschaft in hohem Maße für die aktuellen Probleme in Hermeskeil verantwortlich ist. Mit der Einführung der IGS mag ja ein sinnvolles pädagogisches Konzept verbunden sein. Gerade Schüler, die Spätzünder sind, haben dort nun bessere Chancen, das Abitur zu machen. Mit der Beschränkung auf 120 Plätze wurde aber von vornherein ein Boot ins Wasser gesetzt, das so voll ist, dass saarländische Kinder dort nicht mehr hineinkommen. Deren Eltern machen nun eine Abstimmung mit Füßen, drehen Hermeskeil den Rücken zu und lassen den Schulstandort schlechter dastehen als zuvor. Die Stadt wird damit zu einem Verlierer der Bildungsreform. a.munsteiner@volksfreund.de Für das Mittelzentrum Hermeskeil wird die zurückgehende Zahl saarländischer Schüler spürbar negative Folgen haben. Davon ist Stadtbürgermeister Udo Moser (Bürger für Bürger) überzeugt. "Dort, wo die Kinder zur Schule gehen, orientieren sich die Eltern beim Einkauf oder beim Arztbesuch hin. Wenn diese Bindungen nun gekappt werden, wird der Konsum in Hermeskeil leiden", sagt Moser und klagt: "Wir bauen auf EU-Ebene Grenzen ab. Zwischen den Bundesländern bauen wir sie aber auf." ax

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort