Verkehr Seit einem Jahr mit Strom über den Strom

Oberbillig/Mertert-Wasser­billig · Seit Dezember 2017 pendelt die neue Fähre Sankta Maria II über die Mosel zwischen Oberbillig und Mertert-Wasserbillig. Welche Erfahrungen gibt es inzwischen mit dem außergewöhnlichen Elektroschiff?

 Fährmann Dieter Feldmann am vollelektronischen Steuerstand der Sankta Maria II während einer Überfahrt.

Fährmann Dieter Feldmann am vollelektronischen Steuerstand der Sankta Maria II während einer Überfahrt.

Foto: Friedhelm Knopp

Am Arbeitsplatz von Fährmann Dieter Feldmann erinnert nichts an ein Flussschiff – der Führerstand gleicht mit seinen Digitalanzeigen, Monitoren und den zwei „Joysticks“ für die Steuerung eher dem Cockpit eines modernen Verkehrsjets. Stillstand gibt es dort selten. Kaum hat die Sankta Maria II auf der einen Seite Autos und Fußgänger aufgenommen und abgelegt, sammeln sich am anderen Ufer schon die nächsten Wartenden. Mit den Fingerspitzen an den zwei Lenkhebeln bugsiert Feldmann das Elektroschiff routiniert über die Mosel. Es ist ein geräuschloses Dahingleiten – nur beim An- und Ablegen hört man das Gurgeln der elektrisch betriebenen vier Schwenkpropeller, die auch die Ruderfunktion haben.

„Die Fahrgastzahl wächst ständig, fast 17 Prozent Mehraufkommen seit 2017“, berichtet der Schiffsführer. Deshalb hätten er und sein Kollege Martin Schreiner nun in Spitzenzeiten auch einen Kassierer zur Seite.

Für sein Elektrogefährt, 2017 gebaut bei Formstaal in Stralsund an der Ostsee, findet der Flussschiffer nur Lob – dieses Schiff mache keine Probleme. Und auch Wartung und kleine Reparaturen seien geregelt. Da Formstaal nicht für Kleinigkeiten von der Ostsee anreisen könne, stehe die Trierer Schiffswerft Boost unter Vertrag. Und bei Störungen an der Elektronik komme deren Duisburger Hersteller Schröder Schiffstechnik. Feldmann: „Natürlich musste sich in den ersten sechs Wochen nach dem Start am 10. Dezember 2017 alles einpendeln.“ Der Antrieb habe keine Probleme gemacht, aber beim Zusammenspiel zwischen der Ladestation am Oberbilliger Ufer und den vier großen Bord­akkus habe es anfangs gehakt.

Jeden Abend um 20 Uhr kommt die Sankta Maria II dort an die Spezialsteckdose. Danach kann Feldmann sich per Handy-App über den aktuellen Ladezustand informieren. Der Ladevorgang sei zwischen 0 und 1 Uhr abgeschlossen, so Feldmann. Doch in den ersten Wochen hätten sich die Batterien nur einzeln laden lasen. Feldmann: „Da musste man mehrfach in der Nacht an der Ladestation umschalten. Da kann ich nur unseren Ortsbürgermeister loben, der in der Zeit im Wechsel mit mir nachts zum Umstellen raus ist. Er hat da viel privates Herzblut reingesteckt.“ Doch ab Mitte Januar sei das Problem behoben gewesen.

Eigentümer des Schiffs sind je zur Hälfte die Gemeinden Oberbillig und Mertert-Wasserbillig (Luxemburg). Betrieben wird es von Oberbillig, das damit die wohl einzige deutsche Ortsgemeinde mit „Reedereibetrieb“ ist. Und wie hat die neue Fähre aus Sicht des „Reeders“, alias Ortsbürgermeister Andreas Beiling, in den ersten zehn Monaten mitgespielt? Er kann nicht klagen und sagt: „Es gab keine technischen Ausfälle, aber im Juni fielen acht Betriebstage aus, weil wegen der jährlichen Schleusenwartung der Pegelstand gesenkt werden musste.“

Die von Beiling genannten Beförderungszahlen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Oktober: 61 000 PKW-Überfahrten und 145 000 Personenüberfahrten. Er schätzt, dass im November und Dezember nochmals rund 10 000 Auto- und 25 000 Personenbeförderungen dazukommen. Die Einnahmen seit der Jungfernfahrt am 10. Dezember 2017 beziffert er auf rund 215 000 Euro. Übrigens seien die Energiekosten (Stromverbrauch) mit denen der alten Fähre (Dieselverbrauch) in etwa gleich. Bei den Wartungskosten dürfte das Elektroschiff langfristig aber den besseren Schnitt machen.

Erfreulich sei der steigende Zuspruch der Fährverbindung beim Publikum, der schon mit der alten Sankta Maria einsetzte. Beiling: „Die Zahl der Pendler steigt seit Jahren, und bei Staus und drohenden Baustellen nehmen die lieber das Schiff.“ Außerdem werde die Fähre bei den Fahrrad- und Wandertouristen immer beliebter. Viele kämen wohl auch, um mal selbst mit so einem Elektofahrzeug über die Mosel zu setzen.

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