Sexueller Missbrauch: Angeklagter an Demenz erkrankt

Trier · Er zeigte ihnen Pornos und befriedigte sich vor den Augen einer Neunjährigen. Aber weil der 64-Jährige aus einer Hochwaldgemeinde an fortgeschrittener Demenz leidet, trägt er nicht die volle Schuld an dem, was er den beiden Nachbarskindern angetan hat.

Trier. Wann und woran seine Ehefrau gestorben ist, daran kann sich der Angeklagte B. nicht mehr erinnern. Wie denn seine Ehefrau geheißen habe, fragt Richter Albrecht Keimburg bei der Verhandlung vor dem Trierer Landgericht den 64-Jährigen weiter. Aber auch diesmal bläst der Mann nur die Backen auf und zuckt mit den Schultern. Wie viele Geschwister er hat, zählt B. an den Fingern ab. "Vier", sagt er. Tatsächlich sind es fünf.
Eine fortschreitende Demenz im mittleren Stadium hat die Psychiaterin und Gutachterin Sylvia Leupold denn auch bei B. diagnostiziert. Eine Computertomografie des Gehirns zeigt abgestorbene Hirnregionen und Gefäßverkalkungen als organische Ursache für die Vergesslichkeit und Hilflosigkeit und letztlich auch das gestörte Sexualverhalten des Angeklagten. Dass er zwei Nachbarskinder, die ihn über Jahre beinahe täglich zu Hause besuchten, zwischen Frühjahr 2010 und Mai 2012 mehrfach schwer sexuell missbraucht hat, gesteht der abgemagerte Mann auf Nachfrage von Richter Keimburg mit einem leisen "Ja". Vor einer Neunjährigen hat er masturbiert, dem Mädchen und einem 13-jährigen Nachbarsjungen zweimal Pornos gezeigt und die beiden Kinder angestiftet, Szenen des Films miteinander nachzuahmen.
Doch auch schon damals sei die Schuldfähigkeit des Angeklagten laut Gutachterin eingeschränkt gewesen. Für eine echte Neigung zum Sex mit Kindern gäbe es zudem wenig Anhaltspunkte. "Es handelt sich meiner Einschätzung nach vielmehr um eine Altersphädophilie in Zusammenhang mit den Hirnveränderungen und den sozialen Umständen: Er hat keine Arbeit, keine Tagesstruktur, keine Sexualpartnerin in seinem Alter und ist sehr einsam", erklärt die Psychiaterin. Wegen seiner fortschreitenden Demenz habe er sein Bedürfnis nach Sexualität und die damit zusammenhängenden Impulse nicht mehr steuern können.
Staatsanwalt Stephane Parent hält dem Angeklagten eine "erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit" zugute bei seiner Bemessung der Strafe: drei Jahre Haft und anschließende Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Verteidiger Gerd Grigo forderte zwei Jahre und sieben Monate Haft. Anschließend reiche es allerdings aus, seinen Mandanten in einem Seniorenheim mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung unterzubringen.
Gutachterin Leupold hatte erklärt, dass ohne Änderung der sozialen Umstände ein Rückfall in die Alterspädophilie wahrscheinlich sei - was eine Sicherungsverwahrung in der Psychiatrie im Anschluss an die Haft zulassen würde. Würde B. allerdings in einem Heim für Demenzkranke betreut und beaufsichtigt und könnte dort soziale Kontakte zu Gleichaltrigen aufbauen, wäre die Gefahr, dass sich der sexuelle Missbrauch von Kindern wiederhole, sehr gering. Das Gericht will am Freitag sein Urteil verkünden. woc

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