"Sie haben keinen Hass, nur Trauer"

SAARBURG. Für sein Lebenswerk, das Erforschen der deutsch-jüdischen Geschichte im Saarburger Raum, ist Günter Heidt mit dem "Obermayer-Preis" ausgezeichnet worden. Damit hat der Studiendirektor am Saarburger Gymnasium eine der höchsten internationalen Prämierungen bekommen, die jüdische Organisationen in den USA vergeben.

Günter Heidt ist "der Rummel um seine Person" ein bisschen unangenehm. "Ich selbst hätte nichts von dieser Auszeichnung verlauten lassen", sagt der Geschichtslehrer. Eine Kollegin am Gymnasium Saarburg hatte jedoch den Trierischen Volksfreund über die nicht alltägliche Ehrung informiert. Walter Momper, Präsident des Abgeordnetenhauses in Berlin, sowie die in den USA ansässige Obermayer-Foundation rufen die Öffentlichkeit alljährlich auf, Nominierungen für die "Obermayer German Jewish History Awards" einzureichen. Die Auszeichnung wird seit 2000 an Personen vergeben, die ehrenamtlich herausragende Beiträge zur Dokumentation deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur erbracht haben. Vorgeschlagen von jüdischen Freunden

Vorgeschlagen worden sei Heidt von seinen jüdischen Freunden aus New York und Jerusalem. Die habe er über seine Forschungsarbeit kennen gelernt, die er seit 1980 betreibt. Dabei sei das Interesse für dieses Thema im Studium erwacht. "Ich habe von 1968 bis 1973 studiert. Damals war das Kapitel Holocaust und Nationalsozialismus noch ausgespart. Als ich als Lehrer an der Schule anfing, merkte ich, dass ich kein Wissen auf diesem Gebiet hatte." Am Anfang sei es "der Forscherdrang" gewesen, der ihn zur Auseinandersetzung mit der deutsch-jüdischen Geschichte in der Region Saarburg getrieben habe. "Dann wurde es eine Herzensangelegenheit", erklärt der 57-Jährige. Mit seinen Leistungskursen in Geschichte und der fakultativen Geschichts-Arbeitsgemeinschaft (AG) habe er die Forschung begonnen. Schwerpunkt der Arbeit sei zunächst gewesen, ehemalige jüdische Gemeinden im Umkreis Saarburgs ausfindig zu machen und nähere Informationen zu sammeln. So sei Freudenburg immer schon "jüdische Hochburg" gewesen. Heidt: "Bis ins 16. Jahrhundert lassen sich die Spuren zurückverfolgen." Auch Saarburg, Kirf, Meurich, Zerf, Wawern und Könen seien in dieser Richtung geschichtsträchtig. Seine Schüler seien 1980 in die Gemeinden gegangen und hätten ältere Einwohner zum Alltag im Nationalsozialismus befragt. "Sie sind damals auf offene Türen gestoßen, haben aber auch Abwehr gespürt", berichtet der Geschichtslehrer. Eine Erkenntnis habe sich durch alle Gespräche gezogen: "Die Frauen haben stets am meisten ideologiefrei berichtet." Manche dieser Einwohner aus der Region hätten noch Kontakte zu emigrierten Juden im Ausland gehabt. So reist Heidt bis heute in den Schulferien "auf eigene Kappe und eigene Kosten" unter anderem nach Südamerika, Israel und in die USA, um diese Menschen aufzusuchen und ihrer Geschichte nachzuspüren. "Das Erstaunlichste an diesen Begegnungen ist für mich, dass diese Menschen keinerlei Hass, sondern nur Trauer empfinden."Hat Schüler mit dem Forscherdrang angesteckt

Die persönlichen Kontakte seien auch das, was ihn in seiner Forschung antreibe: "Das sind alles Menschen, die hier verwurzelt und zu Hause waren und vertrieben wurden. Wenn sich die Schüler mit den Schicksalen identifizieren können, dann kann Geschichts-Unterricht erfolgreich sein." Einige seiner Schüler hat Heidt offenbar mit dem Forscherdrang anstecken können. Bei verschiedenen Geschichtswettbewerben waren sie und Heidt bereits erfolgreich. Mit dem ehemaligen Oberstufenschüler Dirk S. Lennartz hat Heidt im Jahr 2000 das Buch "Fast vergessene Zeugen" veröffentlicht - eine umfangreiche Dokumentation über die Juden in Freudenburg. "Fast sieben Jahre haben wir daran gearbeitet", sagt Heidt. Gearbeitet hat der gebürtige Bayer, der im Saarland aufgewachsen ist, auch an weiteren Projekten. So gehen auf seine Initiative die Projektgruppe Israel und eine Israel-AG an der Schule zurück. Mit der Israel-AG besucht er Familien in Israel und hat einen Austausch mit einer katholisch-arabischen Schule etabliert. Ein Ziel möchte Heidt vor seiner Pensionierung in drei Jahren unbedingt erreichen: "Ich möchte das Dreieck zwischen unserer Schule und einer deutsch-christlichen, arabisch-israelischen und jüdisch-israelischen Schule schließen."

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