Spezialkräfte bringen Kind in Nittel in Sicherheit

Nittel · Ein Mädchen aus Nittel ist nach dem Einsatz einer Polizei-Spezialeinheit in der Obhut des Jugendamts. Gegen den Vater, der nun in der Psychiatrie ist, wird wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen ermittelt.

Mittwoch, 18.50 Uhr: Ein Sondereinsatzkommando der Polizei stürmt eine Wohnung in Nittel. Dort lebt eine 35-jährige Frau mit ihrem 23-jährigen Lebensgefährten und der gemeinsamen Tochter (3). Laut Polizei besteht der Verdacht der Kindeswohlgefährdung. Die Spezialkräfte stürmen die Wohnung und nehmen den 23-Jährigen fest. Das dreijährige Mädchen und die Mutter sind wohlauf. Der Mann lässt sich ohne Widerstand festnehmen ("Spezialeinsatz der Polizei in Nittel", TV vom 2. Februar).

Der Bericht der Polizei deutet auf einen vorbildlichen Einsatz hin, der ohne Zwischenfälle zum gewünschten Ergebnis geführt hat. Uwe Konz, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Trier, der selbst in Nittel vor Ort war, erklärt, warum trotz des auf den ersten Blick unproblematischen Einsatzes die Umgebung abgesperrt wurde und ein Spezialkommando aus Koblenz an die Obermosel gekommen ist: "Der Mann war aggressiv und labil. Und es gab einen sehr ernst zu nehmenden Hinweis, dass er eine Waffe hatte."

Der Tipp mit der Waffe stamme, genau wie der Hinweis darauf, dass der Mann möglicherweise sein Kind misshandelt habe, aus dem privaten Umfeld des 23-Jährigen, sagt Konz. Die Polizei habe jedoch keine Waffe gefunden. Bisher sei der Festgenommene in Deutschland nicht straffällig geworden, sagt Konz. Ob der gebürtige Luxemburger in seinem Heimatland vorbestraft ist, war trotz Nachfragen bei den luxemburgischen Behörden am Donnerstag nicht herauszubekommen. Die deutsche Polizei ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen (siehe Infokasten). Ob der 23-Jährige für weitere Straftaten - wie zum Beispiel Körperverletzung - belangt werden kann, müssen laut Konz die Ermittlungen ergeben. Erste Ergebnisse deuteten darauf hin, dass der Mann psychisch krank sei, sagt er. Der Mann sei aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden und befinde sich zurzeit in einer psychiatrischen Klinik in Luxemburg. Gegen die Mutter liege kein Hinweis auf strafrechtlich relevantes Verhalten vor, führt Konz weiter aus.

Trotzdem bleibt das Kind bis zur Klärung der familiären Situation in der Obhut des Trier-Saarburger Jugendamts. Die Familie sei dem Jugendamt vor dem Einsatz nicht bekannt gewesen, sagt Kreis-Pressesprecherin Martina Bosch. Das Mädchen sei auch nicht vor Ort in einer Betreuungseinrichtung gewesen. "Nach unseren bisherigen Informationen besuchte das Kind sporadisch und unregelmäßig einen Kindergarten in Luxemburg", sagt Bosch.

Vor der Dreijährigen aus Nittel habe des Kreisjugendamt schon im Januar ein Kind zum eigenen Schutz aus seiner Familie herausholen müssen. Im gesamten Jahr 2016 hat die Behörde 22 solcher Fälle gezählt, 2015 waren es 46. Dabei arbeite das Jugendamt regelmäßig mit der Polizei zusammen: "grundsätzlich bei allen Mitteilungen und Hinweisen, bei denen nach den vorliegenden Informationen mit einer Gefährdung für Kinder zu rechnen ist", sagt die Pressesprecherin.

Im Rahmen polizeilicher Ermittlungen bestehe häufiger der Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls, sagt auch Polizeisprecher Konz. Besonders bei Fällen von Gewalt in engen sozialen Beziehungen seien oft auch Kinder betroffen. Laut der aktuellsten offiziellen Kriminalitätsstatistik gab es im Jahr 2015 insgesamt 1221 solche Fälle im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Trier.

Der Einsatz eines Sonderkommandos ist trotz der engen Kooperation in solchen Fällen außergewöhnlich. Konz erklärt ihn folgendermaßen: Um eine zusätzliche Gefährdung von Polizeibeamten oder Unbeteiligten auszuschließen, werde ein Einsatz, wenn möglicherweise Schusswaffen im Spiel sind, in "sichere Hände" gegeben. "Da ist immer die Spezialeinheit gefragt", führt Konz weiter aus. Die Entscheidung, die Elitetruppe aus Koblenz zu rufen, habe der Einsatzleiter der Polizeiinspektion Saarburg vor Ort getroffen - nach Abwägung der vorhandenen Informationen.

Die Familientragödie, die sich vor einer Woche im benachbarten Saarland ereignet hat, hat laut Konz bei der Abwägung keine Rolle gespielt. Ein Familienvater hatte in einem Mettlacher Ortsteil seine Frau und seine dreijährige Tochter getötet, bevor er sich selbst von einer Aussichtsplattform an der Saarschleife in den Tod stürzte. Die dabei getötete Frau war Lehrerin an einer Konzer Schule ("Familiendrama: Vermutungen bestätigt", TV vom 28. Januar).EXTRA: MISSHANDLUNG VON SCHUTZBEFOHLENEN

Der Straftatbestand Misshandlung von Schutzbefohlenen ist im Paragraf 225 des Strafgesetzbuchs geregelt. Wer Schutzbefohlene "quält oder roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft", heißt es darin.

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