Tach Milchmann, tschüss Milchmann
Seit Juli 1967 fährt Horst Ludwicki mit seinem rollenden Lebensmittelladen über die Dörfer in Hunsrück und Hochwald. Bald ist er 66 und geht in den verdienten Ruhestand. Seine Kunden trauern ihrem "Milchmann", wie sie ihn liebevoll nennen, schon jetzt nach.
Reinsfeld/Deuselbach. (doth) Als "Milchmann" sind Horst Ludwicki und sein fahrbarer Lebensmittelladen bekannt wie der sprichwörtliche "bunte Hund". Der gelernte Dampflokomotivschlosser aus Stendal flüchtete 1963, zwei Jahre nach dem Mauerbau, unter abenteuerlichen Umständen aus der damaligen DDR, fand im Deuselbacher Mädchen Hildegard die große Liebe und als "Milchmann" eine neue Existenz. Mit bald 66 Jahren hört er jetzt auf. "Ich musste damals zuerst einmal Einzelhandelskaufmann lernen und auf dem Trierer Milchhof eine Prüfung ablegen, damit ich lose Milch verkaufen darf", erklärt Ludwicki, der in Reinsfeld und vielen anderen Orten des Hochwaldes und Hunsrücks dankbare Stammkunden hat.
Sein rollender Laden ist heute noch beeindruckend: Rund 400 Artikel auf acht Quadratmetern. Viel Frischware, Obst, Gemüse, Wurst und Käse sind im Sortiment, aber auch Streusalz, Vogelfutter, Zahnbürsten und Damenstrumpfhosen. Vor über 40 Jahren hatte er die grandiose Idee: In seinen Kastenwagen baute Ludwicki einen Milchtank mit Pumpe ein und fuhr damit jeden Werktag von Deuselbach aus nach Hermeskeil und Reinsfeld. "Die Leute kamen damals noch mit Kannen und Töpfen, um Milch zu kaufen", erinnert er sich und an den Preis für einen Liter: 40 Pfennig.
Richtig begeistern konnte der Milchmann die junge Generation, als er noch selbst gemachtes Speiseeis in sein Sortiment aufnahm, das Bällchen zu zehn Pfennig. Doch der Vormarsch der H-Milch zwang zu neuen Ideen. "Ich musste mir ein neues Sortiment aufbauen und brachte vor allem Frischprodukte zu den Leuten", erklärt Ludwicki. Letztere kauft er seit 35 Jahren selbst auf dem Großmarkt in Saarbrücken ein.
Die nächste Gefährdung des Geschäftsmodells wurde immer stärker: Supermärkte. Auch diesen ist der "Milchmann" bis heute eine Nasenlänge voraus, denn er fährt auch in Orte, die kein Geschäft mehr haben, und bringt betagten Kunden die Waren sogar bis in die Küche. "Gerade um diese Leute tut es mir leid", sagt Ludwicki mit Wehmut. Die Kunden werden ihn vermissen.
Mit "Tach Milchmann" begrüßt Wolfgang Dengler in Reinsfeld den "fliegenden" Händler. "Ich habe bei ihm schon mit drei Jahren Eis gekauft", erinnert er sich. Gertrud Kolz ist seit Jahrzehnten Kundin.
"Er ist immer so nett und freundlich", freut sie sich. Nach 42 Jahren im Geschäft, davon 30 ohne Urlaub, will sich Ludwicki bald seinen Hobbys, dem Garten, dem Videofilmen und vor allem seinen Enkeln, widmen, denn mit 66 Jahren fängt das Leben ja bekanntlich erst an.