Tante Emma auf Russisch

SAARBURG. Es muss nicht immer Kaviar sein - dass es neben dieser Delikatesse auch jede Menge weiterer Produkte aus Russland gibt, beweist "Kalinka". Fast auf den Tag genau vor einem Jahr gegründet, hat sich das Geschäft an der Heckingsstraße inzwischen recht gut etabliert.

Zufrieden lächelt Viktor Wagner hinter der Verkaufstheke. Einen Becher russischen Tee in der Hand, nimmt er ganz langsam seine Brille ab. Nichts scheint ihn aus der Ruhe bringen zu können. "Ja, mir geht's gut, habe warmen Tee, das Geschäft hier. Das ist besser, als zu Hause herum zu sitzen", sagt der Russe mit charmantem Akzent. Das wollte auch sein Schwiegersohn Alex Kaaz verhindern, der das Geschäft in der Ladengalerie an der Heckingstraße am 22. Februar 2003 eröffnete. "Die Idee ist entstanden, als meine Frau und ich bei meinen Schwiegereltern zusammensaßen und allen nicht gefiel, dass sie nichts zu tun hatten." In seiner Heimat hatte Wagner, der den Namen seiner deutschen Frau angenommen hat, als Elektriker gearbeitet. Als das Paar vor elf Jahren nach Deutschland kam, fand Wagner Arbeit im Betonwerk in Kenn. Nach einer Hüftoperation musste der heute 50-Jährige jedoch seinen Job quittieren. "Deshalb haben wir das Geschäft eröffnet", sagt Kaaz. Eine Art Tante-Emma-Laden auf Russisch versteckt sich hinter dem Geschäftsnamen "Kalinka". Porzellan füllt neben Kinderbüchern, Zahnpasta, eingelegten Gurken und Tomaten, Körben von Bonbons, Feingebäck, Nudeln, Säcken voll mit Sonnenblumenkernen und Matroschkas die Regale. Darauf jede Menge Hochprozentiges wie Wodka, Wein oder Krim-Sekt. An den Wänden ticken verspielte Wanduhren. Alle 14 Tage wird Geschäftsführer Kaaz mit rund 80 Kilogramm frischem Fisch beliefert - importiert aus Russland, versteht sich. Auch den Kaviar, Käse und die Wurst bezieht er über Großhändler in Deutschland aus seiner Heimat. Und weil der 22-jährige Geschäftsführer mit Handelsschul-Abschluss weiß, dass es besser ist, sich zusätzliche Standbeine zu schaffen, stehen im Laden einige Videos - allesamt auf Russisch - zum Ausleihen bereit. Außerdem ist bei "Kalinka" die Anlaufstelle für den Hermes Paket Shop. Alex Kaaz hat sich sehr genau überlegt, an welchem Standort er das Geschäft eröffnet. "In Trier und Konz gibt es bereits russische Läden. In Saarburg habe ich eine Lücke gesehen, die wir geschlossen haben." Rund 200 russische Familien wohnen nach Schätzung Kaaz' im Kreis Trier-Saarburg. Etwa 95 Prozent der Kunden sind bislang Russen. Über Mund-zu-Mund-Propaganda habe sich zu ihnen herum gesprochen, dass es in Saarburg ein Geschäft mit Produkten ihrer Heimat gibt. "Die Russen kaufen vor allem Bier, unsere Gebäck-Spezialitäten wie Pfefferkuchen und die eingelegten Tomaten und Gurken. Bei uns sind die nämlich mit ganz wenig Essig zubereitet", erzählt Viktor Wagner. Den noch nicht so zahlreichen deutschen Kunden hätten es vor allem die Wurst und der Käse angetan, sie fragten nach Wodka und Wein.Monate der "Nullphase"

Nach Monaten der "Nullphase", wie Alex Kaaz sagt, ginge es inzwischen langsam ein wenig bergauf. "Vor Weihnachten lief das Geschäft ziemlich gut, im Moment ist es ruhig." Sicher, eine Nische gefunden und eine Chance zu haben, ist der junge Mann dennoch. "Ich möchte langfristig das Sortiment erweitern und würde gerne direkt aus Russland importieren." Außerdem wird Kaaz in Kürze eine weitere Idee umsetzen und mit einem Anhänger auf Märkten der Umgebung präsent sein und seine Produkte zusätzlich direkt an der Haustür anbieten. Vielleicht schafft er damit ja den ersten rollenden russischen Tante-Emma-Laden… Morgen berichten wir in unserer Serie "Kreis - ganz nah" über den aktuellen Stand der Dinge zum Thema Burgsanierung.

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